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Ein Kreuz in Sibirien

Ein Kreuz in Sibirien

Titel: Ein Kreuz in Sibirien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abukow solltest du alle Regung in dir zuschütten.«
    »Du siehst Tauben, wo Raben kreisen!« sagte Larissa Dawidowna abwehrend. »Ja, ja, starr mich nur an. Mir braucht keiner zu sagen, was ich zu tun habe. Bin erwachsen genug!« Sie trat vom Fenster zurück, fuhr mit beiden Händen durch ihre kurzen Haare und verließ wütend die Gerätekammer. Polewoi blieb am Fenster stehen und beobachtete weiter, was auf dem Platz geschah. Denn jetzt, zu so später Stunde, kam noch ein Wagen die Zufahrt herunter, und da ihn die drei Wachen durchgelassen hatten, mußte der Fahrer zur Lagerführung gehören.
    »Und sie liebt ihn doch!« sagte Polewoi halblaut zu sich und stützte sich am Fensterbrett ab. »Welch eine Katastrophe, wenn er wirklich vom KGB kommt! Wir alle können hineingerissen werden …«
    Das Auto, ein geschlossener Geländewagen, hielt mitten auf dem Platz. Wie eine Notbremsung war es, die Räder kreischten. Abukow fuhr herum. Es war Dshuban Kasbekowitsch, der Chirurg. Er kam aus Surgut zurück.
    Dort hatte er einen Freund besuchen wollen, einen hellblonden Jüngling, der als Landvermesser an der Trasse tätig war. Ein zartes Jüngelchen mit einer mädchenhaften Figur, unbehaart, weißhäutig, mit Knöchelchen wie eine Gazelle und mit träumerischen Augen. Dr. Owanessjan liebte ihn glühend, dachte außerhalb seines ärztlichen Dienstes fast ausschließlich an ihn und begann innerlich geradezu fieberhaft zu zittern, wenn er an neue Begegnungen mit Syrbai Badawinowitsch dachte. Syrbai, der Schöne, war ein echter Kasache. In der Steppe aufgewachsen, erkannte er erst während der Ausbildung zum Landvermesser, daß ihn Stuten weniger interessierten als Hengste. Das bestätigte sich, als er vor neun Monaten nach Surgut versetzt wurde, dort auf Owanessjan stieß und sein gelehrigster Schüler wurde. Dshuban nannte ihn sein goldenes Lämmchen, beschenkte ihn mit Seidentüchern, usbekischen Seidenhosen und bestickten Hemden, kaufte kastenweise Pralinen und fütterte Syrbai damit, als wolle er eine Gans nudeln. Sogar mit Gribow hatte Dshuban erfolgreich verhandelt: Er bekam von ihm kaspischen Stör in Aspik, großkörnigen, mild gesalzenen rosa Kaviar und ganz feinen, über Wacholder und Salbei geräucherten Rentierschinken. Wie blind macht Leidenschaft – Dshuban Kasbekowitsch mußte von da an darauf verzichten, Gribow irgendwelche Befehle zu erteilen oder ihn – so berechtigt dies auch sein mochte – einen Gauner zu nennen.
    Nun kam Owanessjan also aus Surgut zurück, in der gleichen Stimmung wie vorher Jachjajew, denn Syrbai war angeblich im nördlichen Trassenbezirk hängengeblieben und kam erst in drei Tagen wieder. Die Vermessung hatte länger gedauert. Dshuban, wie alle Liebhaber, die allein gelassen werden, glaubte dem nicht. Eifersucht zerfraß ihn, an andere Männer dachte er. Syrbai hatte ja genug bei ihm gelernt, es wimmelte in diesem frauenarmen Land von aufgestauten Wünschen, vor allem in den einsamen Landvermesserlagern in der Taiga und den Kolonnen, die meterweise in das unbekannte Neuland vordrangen.
    Es war also nichts mit Streicheln und Seufzen, aber es durchzuckte Dshuban heftig, als er im Scheinwerfer seines Jeeps den schlanken, jungen Mann auf dem einsamen nächtlichen Platz sah. Er hatte zwar keine hellblonden Haare, aber blond waren sie doch, etwas dumpfer, schon zum lichten Braun hinschimmernd. Dshuban bremste heftig und sprang aus dem Wagen.
    »Wer sind Sie?« fragte er. »Habe Sie noch nicht hier gesehen.«
    »Das muß ein Irrtum sein, Genosse Arzt …«, sagte Abukow höflich.
    »Oh! Sie kennen mich?« Dshuban bewegte sich auf ihn zu mit drehenden Hüftbewegungen. Sein Seidenanzug schimmerte sogar in der Nacht.
    »Wir haben uns kurz bei der Genossin Chefärztin getroffen. Im Vorbeigehen.«
    »Habe Sie nicht bemerkt. Welch ein Fehler, welch eine Schande geradezu!« Dshuban blähte die Nasenflügel. Etwas nach Schweiß roch der Mensch, man würde das ändern. Zu ihm paßte ein Parfüm aus Tiflis, etwas herb, mit einem Hauch von Jasmin. Dshubans innerer Aufruhr begann sich zu glätten. »Trinken wir einen Tee zusammen?« fragte er mit schwingender Stimme.
    »Kann es morgen sein? Ich bin sehr müde, Genosse Arzt. Fahre einen Kühlwagen. Den ganzen Tag war ich auf den Beinen. Es gäbe jetzt wenig Spaß mit mir …«
    Owanessjan schnaubte durch die Nase. Wie wir uns auf Anhieb verstehen, dachte er fröhlich. Wie unsere Wellen gleichheitlich schwingen! Ich spreche vom Tee, und er antwortet mit

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