Ein Kuss für die Ewigkeit
wollte es ihr aus der Brust springen. Ihre Lungen schienen ihren Dienst quittiert zu haben. Lieber Gott, ihr Leben lang hatte sie sich nach Abenteuern und Aufregung gesehnt, und hier wurde es ihr in Fleisch und Blut präsentiert. Und dazu noch in besonders verführerischem Fleisch.
„Mylady!“
Sie hatte Keldra völlig vergessen. Und Iain auch. Genauso wie alles andere, ausgenommen Sir Oliver de Leslille aus Irland.
Als sie über die Schulter schaute, sah sie Iain Mac Kendren auf sie zumarschieren, das Schwert in der Hand und das von der Sonne gebräunte Gesicht feindselig verzogen. Keldra musste ihn geholt haben, denn sie eilte jetzt hinter ihm her.
Während der Rückreise von Lord Delaports Burg hatte der fünfundvierzig Jahre alte Iain bis auf wenige Ausnahmen Lizettes Klagen ignoriert, dass das Schaukeln des Wagens ihr Übelkeit bereitete. Er hatte ihr auch deutlich zu verstehen gegeben, wie sehr es ihn ärgerte, losgeschickt worden zu sein, um sie nach Averette zurückzubegleiten. Allerdings konnte seine Verärgerung ganz sicher nicht an ihre eigene heranreichen, wurde sie doch nach Hause beordert, als sei sie ein Kind.
Obwohl Iain sich so aufbrausend betrug, schien das Sir Oliver in keiner Weise zu beunruhigen. Vielmehr warf er ihr sogar wieder einen belustigten Blick zu.
„Und wer ist er?“, fragte er interessiert. „Ich hoffe, es handelt sich nicht um Euren erzürnten Vater oder Ehemann.“
„Nein!“, rief sie, räusperte sich und fuhr dann damenhafter fort. „Nein, er ist der Hauptmann der Garnison von Averette. Er führt meine Eskorte an.“
Sie drehte sich zu Iain um und sprach in einem hoffentlich energisch klingenden Tonfall: „Iain, steckt Euer Schwert weg. Dies ist Sir Oliver de Leslille, und er will uns nichts antun.“
Iain hielt inne, eine Hand in die Hüfte gestützt, während er Sir Oliver abschätzig musterte, der immer noch mit durchnässter Hose dastand, wie Lizette plötzlich bewusst wurde.
Sir Olivers Titel beeindruckte Iain offenbar in keiner Weise, allerdings musste man auch schon in zahlreichen Gefechten sein Leben aufs Spiel setzen, um bei dem Schotten noch Eindruck zu schinden.
„Ich wünsche Euch einen guten Tag, Mylord“, knurrte Iain mit nur einem Hauch von Höflichkeit. „Ihr reist allein, richtig? Ist das nicht ein wenig gefährlich?“
„Wie ich bereits Eurer Herrin erklärte, bin ich bis vor Kurzem mit einigen Freunden auf der Jagd gewesen“, entgegnete Sir Oliver, der sich trotz Iains schroffen, sogar anmaßenden Tonfalls nach wie vor von seiner umgänglichen Seite zeigte. „Ich habe die Gruppe aus den Augen verloren, aber da es allmählich spät wird, sollte ich mich auf die Suche nach ihnen machen, wenn ich nicht im Wald übernachten und mich heute Abend von Nüssen ernähren möchte.“
„Wir werden im Fox and Hound übernachten“, ließ Lizette ihn wissen. „Vielleicht könnt Ihr mir dort morgen früh eine Nachricht zukommen lassen, wie es Euch geht. Ich mache mir Sorgen, Ihr könntet erkranken, weil Ihr meinetwegen durch das kalte Wasser gewatet seid.“
Sir Oliver sah den misstrauisch dreinblickenden Iain an. „Eure Sorge um mich schmeichelt mir, aber ich denke, das wird nicht notwendig sein, Mylady.“
Sie schürzte die Lippen und wünschte, Iain wäre in Averette geblieben.
„Wie er ganz richtig feststellte, Mylady“, warf Iain ein, „wird es allmählich spät, und wir haben hier schon genug Zeit vertrödelt.“
Wenn sie nicht weiter hier am Ufer stehen und mit Iain diskutieren wollte, würde sie jetzt aufbrechen müssen. Außerdem konnte es für Sir Olivers Gesundheit nicht förderlich sein, sich in nasser Hose und durchnässten Stiefeln noch länger der Witterung auszusetzen.
„Lebt wohl, Sir Oliver“, sagte sie und bedauerte stärker als jemals zuvor, sich von einem jungen Mann zu verabschieden. Wie sehr wünschte sie sich, sie wäre Sir Oliver zu einem anderen Zeitpunkt begegnet, zum Beispiel während einer Feierlichkeit in einem Saal, wo sie sich hätten unterhalten können. Ganz sicher wäre er ein sehr unterhaltsamer Gesprächspartner gewesen. Vielleicht hätten sie getanzt … er hätte sie berührt … und dann hätten sie sich in eine unbeobachtete Ecke zurückgezogen, um sich im Verborgenen zu küssen …
Der Adlige verbeugte sich elegant, ehe er sich an Iain wandte. „Ich möchte Euch loben für Eure Sorge um die Dame, Mac Kendren, und Ihr müsst nicht befürchten, dass ich mich im Schutz der Dunkelheit in das
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