Ein Kuss für die Ewigkeit
Gasthaus begeben könnte. Diese Art von Adliger bin ich nicht.“
Iain reagierte nur mit einem Brummen.
Ein solches Verhalten von Sir Olivers Seite wäre auch höchst unangemessen gewesen, und doch verspürte Lizette große Enttäuschung. Womöglich war er ein Mann, der sie dazu hätte verleiten können, sich von ihm lieben zu lassen. Zudem schien er ihr ehrbarer zu sein als die meisten anderen.
Aber auch wenn sie insgeheim bedauerte, ihn nicht wiederzusehen, war es beleidigend, Sir Oliver zu unterstellen, er könnte versuchen, sich in das Gemach einer Dame zu schleichen, und genau das sollte nicht unausgesprochen bleiben. „Ihr müsst dem Garnisonskommandanten seine mangelnde Höflichkeit verzeihen, Sir Oliver. Er nimmt seine Pflicht sehr ernst.“
Wieder beschwichtigte er sie mit einem Lächeln. „Um Euretwillen bin ich sogar froh darüber, Mylady. Wir leben in gefährlichen Zeiten, und üble Gesellen treiben im Land ihr Unwesen.“ Er tat einen Schritt in Richtung Fluss. „Nun muss ich mich aber verabschieden.“
Ihr wurde klar, dass ihr keine Wahl blieb, also nickte sie, während Iain ihr seinen Arm anbot, um sie zum Wagen zurückzubringen. „Adieu, Sir Oliver“, rief sie ihm zu und legte eine Hand auf das Kettenhemd, das Iains Arm bedeckte.
Als sie noch einen letzten Blick über die Schulter warf, war Sir Oliver de Leslille bereits verschwunden. Wie ein Waldgeist hatte er sich in Luft aufgelöst – oder wie ein Magier, der gerade lange genug verweilt war, um seinen Zauber zu wirken.
Lizette lehnte sich zurück in den Berg aus Kissen, der im hinteren Teil des Wagens aufgetürmt war, während der in Richtung Zuhause holperte. Viel lieber wäre sie geritten, doch dass ihr das nicht erlaubt war, das hatte sie sich selber zuzuschreiben. Vor zwei Wochen hatte sie die Schwere ihrer Erkrankung maßlos übertrieben, als Iain nach der Hochzeit von Lord Delaponts Tochter Marian in typischer Mac Kendren-Manier aufgetaucht war und verkündet hatte, Lizette habe sofort nach Hause zurückzukehren. Und dank ihrer Übertreibung war sie gezwungen gewesen, sich seinen Anweisungen zu beugen, obwohl sie ihm gesagt hatte, dass ihr von den Erschütterungen des Wagens übel wurde.
Im Moment gab es wenigstens etwas, womit sie sich ablenken konnte, da ihre Dienerin ihr gegenüberlag und eingeschlafen war. So war es ihr möglich, die Augen zu schließen und an die wunderbare Begegnung mit Sir Oliver de Leslille zurückzudenken.
Gewiss, einen Schleier aus einem Fluss zu holen, war nicht damit zu vergleichen, eine Jungfrau vor einem Feuer speienden Drachen zu retten, dennoch war es aufregend gewesen – und eine willkommene Abwechslung von einer langweiligen Heimreise.
Sir Oliver wäre ohne Zweifel in der Lage, einen Drachen zu besiegen, wenn es sein musste, oder auch jeden anderen, der sich gegen ihn stellte. Ihr waren viele Ritter zu Gesicht gekommen, die um ihre älteste Schwester warben, doch keiner von ihnen hatte so breite Schultern, so muskulöse Arme und Oberschenkel gehabt wie er.
Vielleicht würde er bald an den Hof zurückkehren, den sie nie zuvor hatte aufsuchen wollen, weil dort der König zu Hause war. Sie missachtete John für die Steuern, die er forderte, um damit die Kriege zu bezahlen, mit denen er seine verlorenen Besitztümer in Frankreich zurückzuerlangen versuchte. Und sie hasste ihn, weil er die Macht besaß, sie zur Heirat zu zwingen, wenn ihm der Sinn danach stand.
Was, wenn Sir Oliver längst verheiratet oder verlobt war? Vielleicht war das der Grund, weshalb er ihr nicht gesagt hatte, bei wem er übernachtete, und weshalb er ihr keine Nachricht über sein Befinden zukommen lassen wollte. Allerdings konnte auch Iains Unhöflichkeit und unverhohlener Argwohn daran schuld sein.
Falls er nicht verheiratet war …
Sie musste an einige der Dinge denken, über die die Mädchen und die Frauen bei der Hochzeit von Marian getuschelt hatten. Die jüngeren sprachen von der Begeisterung, die ein Kuss, eine flüchtige Berührung, der Anblick einer nackten Männerbrust auslösen konnte.
Die älteren Frauen, die nicht gemerkt hatten, dass die neugierige Lizette sie belauschte, sprachen von den intimeren Dingen, die sich zwischen Mann und Frau im Dunkeln abspielten, ob sie nun verheiratet waren oder nicht. Dinge, die Lizette an jene Male erinnerte, wenn sie am Maitag oder an Johanni im Wald unterwegs gewesen war und aus dem Schatten zwischen den Bäumen leises Seufzen und sonderbare unterdrückte Schreie
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