Ein Kuss fur die Unsterblichkeit
kann ich dann überhaupt noch davon träumen,
zur Königin gewählt zu werden?«
Daraufhin
gab mir der Vampir, der den Philosophen in sich immer noch nicht ganz abgelegt
hatte, noch etwas Tiefgründiges zum Nachdenken – und dieses Mal war es ein
Spruch von Raniero, nicht von Buddha.
»Wenn du
einen Vampir, der es nach dem Gesetz verdient, vernichtet zu werden, nicht
vernichten kannst, dann solltest du vielleicht keine Königin werden.«
Ich
brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was er damit meinte, und auf
einmal war es, als hätte er mir die Augen geöffnet.
Was ich
bisher gewollt hatte, war, Lucius' Frau zu sein. Das war mein eigentlicher
Beweggrund gewesen, als ich zugestimmt hatte, ihn zu heiraten und eine
Prinzessin zu werden. Und ich war mit der Idee einverstanden gewesen, ein
besseres Königreich für unsere Untertanen aufzubauen. Ich wollte das – aber
hauptsächlich für Lucius.
Aber hatte
ich jemals wirklich eine Herrscherin werden wollen?
Die Antwort
war Nein.
Eine
Prinzessin zu sein, war für mich immer nur ein unglücklicher Begleitumstand
meiner Geburt gewesen und eine unerfreuliche Nebenwirkung, die die Hochzeit mit
Lucius mit sich brachte. Ich hatte also nicht nur versagt, weil ich mir nicht
genug Mühe gegeben hatte, Rumänisch zu lernen oder die Gesetzbücher zu
studieren oder die Wege in der Burg zu verinnerlichen – obwohl das eindeutig
ziemlich große Fehler gewesen waren.
In
allererster Linie hatte ich jedoch versagt, weil es nie meine Absicht gewesen
war, eine Herrscherin zu sein, sondern ich dachte, ich käme damit
durch, mich nur so zu verhalten wie eine Herrscherin.
Im
Gegensatz zu dem Vampir, der jetzt in einer Zelle lag und sich mit jedem
schwächer werdenden Herzschlag danach sehnte, ein König – ein guter König – zu
sein.
Ich
schuldete es ihm, an seiner Seite regieren zu wollen – und zwar nicht,
weil es der Preis dafür war, mit ihm zusammen zu sein, sondern weil ich daran
glaubte, eine geborene Herrscherin zu sein. Weil ich das Zepter in der Hand
halten wollte. Weniger zu geben, würde nicht nur bedeuten, dass ich meine
Untertanen oder mich selbst betrog – oder meine leiblichen Eltern. Ich würde
vor allem Lucius betrügen.
Und das
wollte ich nicht. Irgendwie würde ich es schaf fen, nicht nur mein Auftreten
zu ändern, sondern auch meine innere Einstellung. Ich musste selbst mein
Geburtsrecht durchsetzen wollen – und es auch einfordern.
Ich war so
tief in Gedanken versunken, dass ich beinahe Raniero neben mir vergessen hätte,
der immer genau zu wissen schien, was in mir vorging, und mir offenbar ein
wenig Zeit zum Nachdenken gelassen hatte, bevor er fragte: »Nun, Antanasia?
Was möchtest du tun?«
Ich sah ihm
lange in die Augen, dann packte ich den Pflock fester und sagte mit echter
Überzeugung: »Ich möchte Prinzessin Antanasia Dragomir Vladescu sein,
Herrscherin über die altehrwürdigsten Vampirclans der Welt.«
Ohne zu
zögern, legte Raniero seine Hand auf den Tisch und ich stieß mit aller Kraft
den Pflock hinein.
Kapitel 96
Mindy
Du wirst
großartig
aussehen«, sagte ich zu Ylenia.
Und sie
würde wirklich toll aussehen, weil, ich machte ihr die Haare und ich machte aus
Prinzip keine schlechte Arbeit, nicht einmal bei einem Mädchen, das ich nicht
ausstehen konnte – vielleicht zu Recht, vielleicht auch zu Unrecht. Ich
wusste es langsam selbst nicht mehr.
»Danke,
Mindy«, antwortete sie. »Das ist lieb von dir, dass du mir hilfst.« Ihre
blassen Wangen wurden ein bisschen rot. »Ich bin nicht so gut mit solchen Sachen.«
»Ach, so
ein Quatsch«, schwindelte ich. »Aber ich habe nun mal auch Jess geholfen,
Lucius zu gewinnen, und ich glaube, ich habe ein Händchen für so was.«
»Es ist ja
kein Date«, sagte Ylenia hastig. »Er will nur mit mir reden. Und ich hätte noch
nicht einmal geglaubt, dass er das tun würde.«
»Ja, bei
Raniero weiß man nie, woran man ist, nicht wahr?« Jedenfalls nicht mehr. Ich
zog ein wenig zu fest, als ich versuchte, die Bürste mit den
Wildschweinborsten, die ich extra für Jess' Locken gekauft hatte, durch Ylenias
krauses Haar zu bekommen. »Und gut aussehen kann niemals schaden.«
Sie
lächelte zaghaft, als wäre sie wirklich so schüchtern, wie Raniero sagte.
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Und ... wo
werdet ihr hingehen?«
Das war es,
was mich eigentlich interessierte und warum ich mich überhaupt bereit erklärt
hatte, ihr mit den Haaren zu helfen.
»Ich sagte
doch, es ist keine große
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