Ein Kuss und Schluss
starrsinnig verhalten würde. So war er schon seit ihrer Kindheit gewesen. Gegenüber seinen Brüdern hatte er immer wieder seine Körpergröße und überlegene Kraft ins Spiel gebracht. Aber eine solche Reaktion hatte John nicht erwartet.
John war ebenfalls kräftig gebaut, aber Alex war größer und brachte mindestens zehn Pfund mehr als er auf die Waage. Auch wenn er damit gedroht hatte, seinen Bruder aus dem Haus zu werfen, wusste John, dass er bei einer handgreiflichen Auseinandersetzung höchstwahrscheinlich den Kürzeren ziehen würde.
Die Zeit drängte. Er musste zum Club fahren, aber sein Bruder neigte nicht zu leeren Drohungen. Wenn John gehen wollte, würde Alex mit allen Mitteln versuchen, ihn aufzuhalten.
»Du glaubst also, dass du es mit mir aufnehmen kannst, wie?«, sagte John.
Alex schnaufte. »Sogar wenn man mir eine Hand auf den Rücken bindet.«
»Blödsinn. Du würdest es kaum schaffen, dreihundert Pfund auf einmal zu stemmen.«
»Junge, ich habe schon dreihundert Pfund gestemmt, als du noch in den Windeln lagst.«
»Beweis es.«
»Was?«
»Wenn du zehnmal hintereinander dreihundert stemmst, werde ich das Haus nicht verlassen. Abgemacht?«
Alex lächelte. »Deine Verhandlungstaktik ist miserabel.
Ich kann im Schlaf zehnmal dreihundert stemmen, und das weißt du ganz genau.«
»Dann komm und zeig es mir!«
John ging zum Abstellraum, in dem er auch seine Trainingsgeräte untergebracht hatte. Alex zögerte nur kurz, dann folgte er ihm. Sein ausgeprägter Kampfgeist ließ ihm keine andere Wahl.
John schob jeweils einhundertfünfzig Pfund auf beide Seiten der Stange. Alex bedachte ihn mit einem abfälligen Blick und fügte noch zweimal zehn hinzu. Er legte sich auf die Bank, und John beobachtete voller Ehrfurcht, wie Alex das Gewicht hob, als wäre es ein Sack Federn. Er wusste, dass sein Bruder sehr kräftig war, aber jetzt sah es sogar danach aus, als würde er jeden Augenblick die Hantel wie einen Schlagstock herumwirbeln lassen.
Gut, dass er nicht darauf gesetzt hatte, diesen Kampf durch Muskelkraft zu gewinnen.
John zog die Handschellen aus der Tasche, und als Alex die Arme voll ausgestreckt hatte, ließ er sie um sein linkes Handgelenk zuschnappen. Alex erkannte sofort, dass sein Bruder ihn offensichtlich hereinlegen wollte, aber da er gerade eine dreihundert Pfund schwere Hantel stemmte, konnte er nicht sogleich darauf reagieren. Unmittelbar bevor er die Gewichte auf die Halterung setzte, ließ John die zweite Hälfte der Handschelle um eine Strebe der Bank einrasten.
Alex kam polternd hoch. John gelang es, ihm auszuweichen und sich weit genug zu entfernen, bevor Alex‘ Bewegungsfreiheit durch die Handschellen eingeschränkt wurde. Die Augen seines Bruders versprühten unbändige Wut, und John wusste, dass er mit dem Schlimmsten rechnen musste, wenn Alex ihn in die Finger bekam.
»Du Mistkerl!«, brüllte er. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
»Ich dachte, das hätte ich vorhin laut und deutlich gesagt. Ich werde in diesen Club gehen.«
Alex setzte John nach und zerrte die Bank mit überraschender Geschwindigkeit hinter sich her. Die Beine schrammten kreischend über den Holzboden. John schaffte es durch die Tür, obwohl sein Bruder nur wenige Zentimeter hinter ihm war. Dann knallte die Bank krachend gegen den Türrahmen und blieb daran hängen. Alex fluchte laut.
»John! Komm sofort zurück! Du bewegst deinen Arsch hierher und machst die Handschellen los! Sofort!«
»Tut mir Leid, Alex. Ich habe jetzt Wichtigeres zu tun.«
Alex riss so heftig an den Handschellen, dass John für einen Moment glaubte, er könnte tatsächlich die Kette sprengen. Immerhin mochten sie inzwischen ein wenig abgenutzt sein, da sie in den vergangenen drei Tagen häufiger zum Einsatz gekommen waren als in seiner gesamten bisherigen Berufslaufbahn.
»Hast du eine ungefähre Ahnung, was ich mit dir anstellen werde, wenn ich dich irgendwann zu fassen kriege?«, schrie Alex.
O ja, das konnte sich John sehr anschaulich vorstellen. Zum Glück gab es plastische Chirurgen und Zahnärzte. Nachdem er ein halbes Jahr im Krankenhaus gelegen hatte, würde er vielleicht wieder eine gewisse Ähnlichkeit mit einem menschlichen Wesen haben.
Alex brüllte ihm immer noch nach, als er zur Garage ging, aber dadurch ließ er sich nicht beirren. Er musste diesen Club aufsuchen, den wahren Täter finden und dann alles daran setzen, dass Renee zu ihm zurückkehrte.
»Die Show scheint gleich anzufangen«,
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