Ein Kuss und Schluss
Mund zuhalten, um nicht laut zu keuchen.
Eine Polizeimarke.
Sie drehte sie ein wenig, damit sie den Feuerschein auffing, dann las sie den eingravierten Namen. John DeMarco. Tolosa Police Department.
Allmächtiger! John war ein Bulle!
Ihre Knie wurden weich, und in ihrem Bauch breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus. Mehrere Sekunden lang stand sie nur da, als wären ihre Füße mit dem Boden verschweißt. Sie hatte einen Polizisten angebaggert. Sie war in das Diner marschiert und hatte sich mit selbstmörderischem Instinkt genau den Mann herausgesucht, der sowohl die Fähigkeit als auch die Befugnis besaß, sie für immer hinter Gitter zu bringen.
Sie musste von hier verschwinden. Sofort.
Sie zog sämtliches Papiergeld aus der Brieftasche und stopfte es sich in eine Hosentasche. Lautlos ging sie zur Tür, während ihr Herz wild pochte. Sie drehte den Türknauf, bis er leise klickte. Als sie die Tür öffnete, quietschten die Scharniere leicht. Sie fuhr herum und hielt den Atem an. John drehte sich um, doch nun kehrte er ihr den Rücken zu und blieb still.
Sie schlüpfte nach draußen und schloss vorsichtig die Tür. Auf Zehenspitzen lief sie über den Waldpfad zum Explorer. Ihr warmer Atem kondensierte in der kühlen Nachtluft. Sie drückte ihre Schuhe an die Brust und versuchte, den Stellen auszuweichen, wo sich die Kiefernnadeln häuften, weil sie unter ihren Füßen knirschen würden. Sie blickte sich über die Schulter um. In der Hütte war alles ruhig.
Würde er sie hören, wenn sie den Wagen anließ?
Es spielte keine Rolle. Es kam nur darauf an, dass sie in den Wagen gelangte und die Türen verschloss, bevor er nach draußen kam. Dann konnte er sie nicht mehr aufhalten.
Sie erreichte den Explorer und schob den Schlüssel ins Türschloss. Ihre Zähne klapperten vor Kälte. Gebetsfragmente gingen ihr durch den Kopf. Sie versprach Gott, viele gute Taten zu leisten, wenn alles vorbei war. Dazu musste er ihr nur ein wenig helfen, aus dieser kleinen Patsche herauszukommen. Es reichte schon, wenn er dafür sorgte, dass John bis morgen früh um zehn schlief. Und wenn dann noch die Person, die wirklich für den Bankraub verantwortlich war, vortreten und alles zugeben würde, wäre alles überstanden ...
Als sie den Schlüssel drehte, hörte sie hinter sich ein leises Knirschen. Sie wirbelte herum, und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Polizist, der in einigen Metern Entfernung schlummerte, ihr kleinstes Problem war. Ihr größtes Problem war der hässliche, tätowierte, höhnisch grinsende Berg aus Muskeln, der plötzlich auf dem Waldpfad aufgetaucht war. Sein goldener Ohrring glitzerte im Mondlicht.
»Hallo, Süße. Wohin soll‘s denn gehen?«
5
Renee zerrte den Schlüssel aus dem Schloss und riss die Wagentür auf. Sie sprang in den Explorer und zog die Tür zu, doch Leandro verhinderte, dass sie zufallen konnte. Renee hechtete über die Mittelkonsole und wollte zur Beifahrertür kriechen, doch Leandros Hand packte ihr Bein wie ein Fleischerhaken, und seine Finger gruben sich wie Krallen in ihre Haut. Sie strampelte verzweifelt und traf mit einem Fuß seinen Brustkorb. Als er einen Batman-artigen Uff- Laut ausstieß, wusste sie, dass sie ihm einen schmerzhaften Schlag versetzt hatte. Aber nicht schmerzhaft genug, wie ihr klar wurde, als er sie am Hosenbund ihrer Jeans packte und zurückzerrte.
Renee hielt sich mit aller Kraft am Lenkrad fest. »Lassen Sie mich los!«
»Diesmal bestimmt nicht«, erwiderte Leandro. Er löste ihre Finger vom Lenkrad und zog sie ganz aus dem Wagen. »Wir beide haben noch eine Rechnung zu begleichen.«
Renee wand sich hin und her, trat um sich und schrie. Sie rammte ihm einen Ellbogen in die Rippen und trat ihm auf die Zehen. Es nützte nichts. Es war, als würde sie mit einer Fliegenklatsche auf einen Elefanten einprügeln. Er hatte einen Arm um ihre Brust geschlungen und zerrte sie mit sich. Sie kämpfte und wehrte sich, grub ihre Fingernägel in seinen Arm und schrie. Sie wusste, dass sie verloren hatte, wenn es ihm gelang, sie in seinen Wagen zu verfrachten.
Dann ließ er sie los.
Als Renee plötzlich und unerwartet wieder frei war, wirbelte sie herum und stellte fest, dass Leandro sie keineswegs losgelassen hatte, weil er ein gutes Herz hatte. Sondern weil ein Arm um seinen Hals lag. Ein Arm, der einem gewissen Polizisten gehörte, der nicht mehr wie ein Murmeltier schlief.
Der schockierte Ausdruck in Leandros Gesicht wich schnell einer hässlichen
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