Ein Kuss und Schluss
Renee wartete nur darauf, dass John sie als verzweifelte Kriminelle entlarvte, die er nun ihrer gerechten Strafe zuführen würde. Doch stattdessen wandte er ihr sein betörendes Lächeln zu und würzte es so intensiv mit sexueller Anzüglichkeit, dass sie in der Hitze zu schmelzen drohte. Dann sah er wieder Harley an, mit Verschwörerblick und Von-Mann-zu-Mann-Miene.
»Gut unterhalten?« John legte einen Arm um Renees Schultern. »Tja, Harley ... Was meinst du?«
Renee war so baff, dass sie nur mit weit aufgerissenen Augen dasitzen konnte. Wahrscheinlich sah sie genauso aus, wie John sie darzustellen versuchte - als hirnloses Püppchen, das Punkte für die olympischen Spiele im Betthüpfen sammelte.
»Was ich meine?«, sagte Harley. »Ich meine, du bist ein Kerl, der verdammt viel Schwein gehabt hat!« Er beugte sich über den Tresen zu John und senkte die Stimme. »Und mir scheint, dass sie es auf die harte Tour mag, was?«
John blickte Harley verständnislos an. Dann zeigte Harley auf Johns blaues Auge und grinste, als wäre er der Ansicht, dass ein wenig Sadomasochismus die Sache nur reizvoller machen konnte.
»Äh ... ja«, antwortete John und warf Renee einen unverblümten Blick zu. »Es könnte durchaus hier und da etwas härter zugegangen sein.«
Damit hatte er nicht mal Unrecht.
Harley klopfte vor Renee auf den Tresen. »He, Süße! Wie wär‘s mal mit ‚nem älteren Mann? Ich sehe vielleicht nicht so gut aus wie John, aber das mache ich durch meine Erfahrung wieder wett. Wir beide könnten ...«
Paff‘-
Harley fuhr schockiert herum, als er plötzlich einen Schlag gegen den Hinterkopf erhielt - mit einem Bestellblock.
»Ich hoffe, das ist eine lehrreiche Erfahrung, du alter, geiler Bock!«
Er rieb sich den Kopf. »Marva, du verdammtes Miststück! Ich sollte ...«
»Du solltest deinen fetten Arsch in Bewegung setzen und die Spülmaschine in der Küche reparieren, damit ich nachher nicht mit der Hand abwaschen muss. Das solltest du tun!«
Harley brummte etwas Unflätiges und schlich sich in die Küche davon. Marva wandte sich mit einem freundlichen Lächeln an Renee. »Hör nicht auf meinen Mann, Kleine. Du weißt ja, Hunde, die bellen, beißen nicht. Glaub mir.«
Renee drehte sich zu John um und spürte, wie sich neue Hoffnung in ihr regte. Er hatte ihnen nichts gesagt. Warum?
»Wir hatten draußen ein Problem mit dem Wagen«, sagte John zu Marva. »Wir mussten den Weg von der Hütte bis hierher zu Fuß gehen. Ich brauche einen Abschleppwagen. Wenn ich mal euer Telefon benutzen dürfte ...«
»Aber klar!« Sie deutete mit einer Drehung des Kopfes auf das Telefon am anderen Ende des Tresens. »Ruf Stan von der Tankstelle in Winslow an. Er wird die Sache sofort in Ordnung bringen.«
»Danke, Marva. He, da riecht irgendwas verdammt gut. Was braust du da drinnen zusammen?«
»Rindfleischeintopf.«
»Ausgezeichnet! Sei so gut und bring zwei Portionen für Alice und mich!« Er zwinkerte Renee zu. »Irgendwie haben wir gestern gar nicht mehr daran gedacht, etwas zu essen.«
Alice? Wer zum Teufel war Alice?
Dann erinnerte sie sich. Mit diesem Namen hatte sie sich John gestern Abend vorgestellt. Was bezweckte er mit diesem Spiel?
Marva gab John die Nummer der Tankstelle. Er ging zum Telefon, während Marva in der Küche verschwand und kurz darauf mit zwei vollen Tellern zurückkehrte. Renee war so ausgehungert, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht mit dem Gesicht in den Eintopf zu tauchen.
»He, Kleine«, flüsterte Marva verschmitzt. »Sag mal ... ist er gut?«
Renee brauchte eine Weile, um zu kapieren, was die Frau meinte. Sie warf einen Blick zu John hinüber, der telefonierte, aber sie keinen Moment aus den Augen ließ. Er hatte ihr gesagt, dass sie auf keinen Fall den Mund aufmachen sollte. Und solange sie die Situation nicht besser einschätzen konnte, wäre es wohl besser, sich an seine Empfehlung zu halten.
Sie wandte sich wieder Marva zu, und statt einer Antwort lächelte sie ihr zu und zog anzüglich die Augenbrauen hoch.
Marva strahlte begeistert. »Ich wusste es! Schon als er zum ersten Mal hier hereinkam ...« Sie fächelte sich mit dem Bestellblock Luft zu, als wäre ihre Körpertemperatur plötzlich in die Höhe geschossen. »Puh! Ich kann dir sagen, Kleine, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich Harley zum Einkaufen schicken, damit ich diesem Mann folgen könnte, wo immer er hingehen möchte.«
Sie hatte Harley wegen einer ganz ähnlichen Bemerkung
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