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Ein Kuss und Schluss

Ein Kuss und Schluss

Titel: Ein Kuss und Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Graves
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durchgebrannt waren. Die rote Farbe blätterte ab, und auf den Fenstern hatte sich im Laufe der Jahre eine dicke Dreckschicht abgelagert. Renee versuchte sich zu erinnern, ob der Laden bereits während ihrer Highschool-Zeit so schlimm ausgesehen hatte. Vermutlich hätte sie damals nichts davon bemerkt, da sie die meiste Zeit ziemlich betrunken war. Aber was Drogen betraf, hatte sie John die reine Wahrheit gesagt. Davon hatte sie stets die Finger gelassen.
    Nun ja ... Sie hatte damals ein paarmal Gras geraucht, als sie mit Jimmy Calhoun gegangen war, dem Don Juan der Drogenabhängigkeit. Es hatte keine Droge gegeben, an der Jimmy keinen Gefallen gefunden hätte. Doch als Renee erkannte, dass er schon so viele Gehirnzellen weggeätzt hatte, dass er sich kaum noch an seinen eigenen Namen erinnern konnte, hatte sich ihre Faszination für ihn und Marihuana sehr schnell verflüchtigt.
    Okay, sie hatte ein oder zwei Aufputschpillen eingeworfen. Und sie hatte als Teenager so viel Alkohol konsumiert, dass ihre inneren Organe eigentlich bestens konserviert sein mussten. Aber in den vergangenen sieben Jahren hatte sie nie etwas Stärkeres angerührt als ab und zu ein Bier, während sie sich ein Spiel im Fernsehen ansah, und darauf war sie mächtig stolz. Auch wenn sie damals in schlechter Gesellschaft gewesen war, hatte sie nie etwas so Furchtbares wie einen bewaffneten Raubüberfall begangen.
    Sie schob ihre zitternden Hände unter die Schenkel und atmete tief durch, was sie jedoch nicht im Geringsten beruhigte. Sie wusste, wie es ablaufen würde, wenn sie die Polizeiwache erreichten, weil sie diese Prozedur schon mehrfach mitgemacht hatte. Natürlich kannte sie den letzten Polizisten nicht, der ihre Daten aufgenommen hatte, ein anonymer Kerl mit steinerner Miene, der lediglich das Routineprogramm abgearbeitet hatte. Diesen Kerl hatte sie nicht geküsst. Sie wäre nicht beinahe mit ihm ins Bett gegangen. Sie hatte ihn nicht so heftig begehrt, dass sie beinahe in Ohnmacht gefallen wäre. Er war ein namenloser Niemand gewesen, den sie problemlos hassen konnte, aber in Bezug auf John waren ihre Gefühle keineswegs so eindeutig gelagert.
    Die Ampel vor ihnen wurde gelb, dann rot, und John brachte den Explorer zum Stehen. In der Ferne erkannte Renee bereits die Polizeiwache, ein sauberes kleines Ziegelsteingebäude, vor dem die Flaggen der USA und des Staates Texas wehten. Tränen schössen ihr in die Augen.
    Nein. Sie wollte nicht heulen, und sie wollte nicht betteln. Sie konnte jedoch nicht völlig ausschließen, dass sie sich übergab. Wie sich ihr Magen im Augenblick anfühlte, wäre eine solche Reaktion durchaus möglich. Sie schniefte leise und wischte sich die Augen am Ärmel ihres Sweatshirts ab. Doch sie bemerkte schnell, wie sinnlos das war, da sich die Tränen nicht ohne weiteres zurückhalten ließen.
    John starrte geradeaus, immer noch mit ausdrucksloser Miene, aber er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten.
    »Heul jetzt nicht.«
    Er sprach in schroffem Tonfall, quetschte die Worte durch die zusammengebissenen Zähne heraus, was ihr nur um so heftiger die Tränen in die Augen trieb. Sie spürte seinen Zorn und wollte wirklich nicht heulen, aber das gestaltete sich schwieriger, als sie gedacht hätte.
    Die Ampel wurde grün, und Renees Herz machte einen Satz.
    Eine Sekunde verging. Eine zweite.
    John rührte sich nicht.
    Der Fahrer hinter ihnen hupte, aber John saß weiterhin reglos da, starrte nach vorn, klammerte sich ans Lenkrad, ließ ein wenig locker und griff wieder fester zu. Er hatte die Ärmel seines Hemdes bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, so dass die Muskeln seiner Unterarme bei jeder Bewegung der Hände deutlich hervortraten.
    Das Hupen ihres Hintermanns wurde anhaltender und eindringlicher. John tat, als würde er nichts hören.
    Er sah nach rechts in die abzweigende Straße, dann konzentrierte sich sein Blick auf Renee. Seine dunklen Augen schienen sie zu durchbohren. Sie blinzelte. Eine Träne rann ihre Wange herab, und sie wischte sie mit einer Fingerspitze weg, bevor sie herunterfallen konnte.
    Wieder drückte der Fahrer hinter ihnen auf die Hupe. John stieß unvermittelt einen Fluch aus. Er trat aufs Gaspedal, riss das Lenkrad nach rechts und bog mit dem Explorer ab Richtung Süden. Renee hielt sich am Türgriff fest, als der Wagen plötzlich beschleunigte. Nach wenigen Sekunden hatte er die Geschwindigkeitsbegrenzung in geschlossenen Ortschaften überschritten

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