Ein Kuss von dir
gesagt, der Täter sei nach Australien deportiert worden.« Eleanor fiel auf, welche Zuversicht Remington mittlerweile ausstrahlte. »Du bist Amerikaner.«
»Als mein Vater seine Strafe hinter sich gebracht hatte, ist er nach Boston gegangen, wohin er einen Teil seines Vermögens transferiert hatte und hat von vorne angefangen.«
Sie wollte alles klargestellt haben, also insistierte sie: »Lord Fanthorpe hat gesagt, der Name des Mannes sei George Marchant gewesen. Du heißt aber nicht Marchant.«
»Der wirkliche Mörder war wild entschlossen, seine Schuld zu verbergen – also hat er meine gesamte Familie umbringen lassen.«
Sie schnappte entsetzt nach Luft.
»Ich habe meinen Namen geändert.«
»Gütiger Himmel. Ich bedauere deinen Verlust unendlich. Ich wünschte …« Sie wünschte, sie hätte ihn halten und die Kummerfalten aus seinem Gesicht streichen können, aber er war weit entrückt, brütete, erinnerte sich an einen unvorstellbaren Verlust.
Im zerwühlten Bett sitzend und mit den Tatsachen konfrontiert, konnte Eleanor nur noch denken: Ich liebe ihn, und er wird niemals eine de Lacy lieben können und erst recht keine, die seine Hoffnung auf Vergeltung von Grund auf zerstört hat. Ihre eigene Hoffnung verdorrte und starb beinahe.
Beinahe.
Aber die Hoffnungslosigkeit war auch eine Befreiung. Wenn schon alles verloren war, dann konnte sie genauso gut sagen, was sie dachte. »Du hast, was deinen Namen angeht, also auch gelogen.«
»Wie?«, geiferte er.
Ihre Finger gruben sich in das Hundefell. »Ich habe einen falschen Namen angegeben, aber du ebenfalls.«
Mit peitschendem Hohn sagte er: »Mach dir keine Sorgen. Ich habe meinen Nachnamen ganz offiziell ändern lassen. Die Eheschließung ist gültig.«
Sie wagte es dennoch erneut. »Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht. Ich wollte nur festgestellt wissen, dass du in einer grundlegenden Angelegenheit nicht ehrlich zu mir warst.«
»In der grundlegendsten aller Angelegenheiten, mit meinem Körper, war ich absolut ehrlich zu dir.« Er legte die Hand auf den Kaminsims, seine langen Finger streichelten das Holz, und seine Augen glühten wie Kohle. »Ich will dich. Ich hätte dich auch gewollt, wenn ich gewusst hätte, wer du wirklich bist.«
Sein Eingeständnis machte sie sprachlos – und erschütterte sie bis in die Grundfesten. Sie hatte so lange in Madelines Schatten gelebt, sie glaubte nicht mehr, dass irgendwer sie zur Kenntnis nahm. »Nun … ich sehe schließlich aus wie Madeline.«
»Oder Madeline wie du.« Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Kein Mann würde seine Frau mit einer anderen verwechseln. Glaub ja nicht, du könntest mir noch einmal einen solchen Streich spielen.«
Während Eleanor über seine Worte nachsann und Lizzie streichelte, herrschte Schweigen. Er hatte sie … seine Frau genannt. Er war ihr ein Rätsel: fordernd, zärtlich, wütend, gütig. Er hielt das Andenken seiner Familie in Ehren und wollte die ihre zerstören. Er trug sie des Nachts in den Himmel und stürzte sie morgens in die Hölle. Sie musste lernen, ihn zu verstehen; was ihn dazu getrieben hatte, ein Vermögen zu machen und es für seine Rache aufs Spiel zu setzen. »Erzähl mir mehr vom Mord an Lady Pricilla. Du hast Lord Fanthorpe als Täter ausgeschlossen.«
»Ja, wer meine Familie getötet hat, verfügte über genügend Geld, meinen Vater von Australien nach Amerika verfolgen zu lassen, ihn beobachten zu lassen und Verbrecher anzuheuern, die in der Lage waren, mitten in Boston einen prominenten Kaufmann zu ermorden.« Remington durchquerte den Raum, hob ihr Kinn und sah ihr in die Augen. »Ich habe auch deinen Vater als Täter in Betracht gezogen, aber er hat nicht die Mittel, einen derartigen Plan umzusetzen.«
Bitterkeit stieg in ihr auf. »Und es liegt ihm auch nichts daran. Der Mord an Lady Pricilla hat jeden der beiden Brüder auf seine Weise gezeichnet. Magnus will den Erinnerungen entfliehen und führt ein Leben voller Verantwortungslosigkeit. Mein Vater schottet sich gegen jegliches Gefühl ab. Er will nicht, dass ihm je eine Frau so viel bedeutet wie Pricilla, und er ist damit erfolgreich.« Eleanor verbarg ihren Schmerz so überzeugend wie Remington den seinen. »Ihm liegt nicht das Geringste an mir.«
Remington konnte hinter die tapfere Fassade sehen, denn er betrachtete sie voller Mitgefühl. Aber Mitgefühl war das Letzte, was sie von ihm wollte. Also schob sie ihn weg und stieg splitternackt aus dem Bett. Sie legte eine
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