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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Libertanos leerem Stall und weinte, bis das Licht des Morgens die nächtlichen Schatten auflöste. Martini, der Hengst ihres Vaters, der zu alt war, den keiner mehr kaufen wollte, lauschte ihr mit unruhig spielenden Ohren.
    Das war im August, vor vier Monaten gewesen.
    *
    Ihr Garten der Vögel war fertig, die Bungalows auch, in einem Monat würde Eröffnung sein. Bis dahin musste sie überleben. Entmutigt pulte sie ein paar Fäden aus dem Riss in ihrer Hose. Es war erschütternd, in welch kurzer Zeit völlig solide aussehende Gegenstände sich in dieser Hitze und Feuchtigkeit auflösten. Wie ihr eindrucksvoll demonstriert worden war, stellten sich Designer-Jeans als wenig strapazierfähig heraus, doch für neue fehlte ihr einfach das Geld. Also brauchte sie alles auf, was ihr Kleiderschrank hergab. Manchmal führte es dazu, dass sie mit edlen italienischen Leinenhosen und schreiend cyclamfarbenem Seidentop durch den Busch streifte.
    Jetzt fischte sie eine Tube Alleskleber aus einer Schublade, legte den Jeansstoff übereinander und klebte den Riss am Knie einfach zu. Nach einigem Überlegen schnitt sie das Innenfutter der kleinen Münztasche vorn ab und klebte es von innen gegen den Riss. Zufrieden richtete sie sich auf. Das würde halten, vermutlich länger als die übrige Hose. Sie verließ das Zimmer, um mit Musa die Fischarten zu besprechen, die sie plante in dem neu angelegten Teich auszusetzen.
    Gegen ein Uhr an diesem Tag im Dezember 1997 passierte etwas, was passieren musste. Früher oder später.
    Ein Orkan brach los, fast ohne Vorwarnung, und das machte ihn so besonders gefährlich. Eben noch war dieser Dezembermittag klar und warm gewesen, mit leuchtenden Farben und einem weiten Himmel, als sich wie aus dem Nichts im Süden Nebelschleier bildeten, den Horizont auslöschten und die erste Bö die Küste hochfegte. Sie deckte ein Dach in Amanzimtoti ab, öffnete es wie eine Ölsardinenbüchse und überpuderte das fassunglose Paar, das nackt im Bett darunter lag, mit Steinstaub. Am Flughafen entwurzelte sie eine Palme, warf sie auf einen alten Volkswagen und zerquetschte ihn wie eine Kakerlake. Der junge Mann darin wurde zu einem Päckchen zusammengedrückt. Dann fuhr die Bö durch Durban und zerstörte die Nester der wilden Ibiskolonie im Botanischen Garten, tötete alle Nestlinge dieser Brutperiode.
    Sie trieb eine schwarze Wolkenbank vor sich her, die von Amanzimtoti bis Kosi-Bay den Tag verschluckte. Ein höllischer Sturm war geboren, der schlimmste seit Jahren. Blitze zuckten von Wolke zu Wolke, Donner krachte, das Meer tobte. Gierig warf es sich auf den Strand, die rücklaufenden Wellen saugten Berge von Sand hinaus ins Meer, rissen Seetang von den Felsen, brachen Muscheln und Seeanemonen aus ihrer Verankerung, bewegten tonnenschwere Steine, die dort seit Jahrmillionen festgewachsen schienen.
    Die gewaltige Strömung über dem Meeresboden wirbelte den Sand hoch, färbte die Wellen ockergelb. Keine vierhundert Meter vor der Küste südlich von Durban, in einer Tiefe von nur dreißig Metern spülte sie einen eigenartig geformten, algenbewachsenen Felsen allmählich frei. Der Algenbewuchs löste sich an einer Stelle in einem Stück, und hätte jemand genau hingesehen, hätte er entdeckt, dass es kein Felsen war, sondern eine metallen glänzende Fläche. Allmählich wurden ein paar Buchstaben freigelegt, die keinen Sinn zu ergeben schienen. IMPA . Wo das L und das A des Wortes aufgemalt gewesen waren, gähnte jetzt nur ein Loch. Die scharfen Zacken des auseinander gebrochenen Metalls umrahmten den Eingang zu einer dunklen Höhle. Zeitlupenlangsam fiel etwas, das aussah wie ein dünner weißer Zweig, aus der Dunkelheit.
    Es war der skelettierte Arm eines Menschen. In den Knochenfingern glänzte eine goldene Kette. Auf dem Handrücken hing ein Anhänger, ein goldener Pfau mit Federn aus Brillanten, im fahlen Licht schillerte sein Opalkörper erschreckend lebendig in der Düsternis des nassen Grabes.
    Jill erfuhr davon erst, als Neil sie über ihr Mobiltelefon anrief. »Sporttaucher haben die IMPALA gefunden, heute Morgen, der Sturm hat sie freigelegt. Es gibt Fotos, die ich dir zeigen möchte, bevor sie dir jemand anderes vor die Nase hält. Komm heute Abend zu uns. Tita macht etwas Leckeres zu essen, und ich erzähle dir die Einzelheiten.«
    Sie fuhr allein zu den Robertsons. Neil, dessen sandblonde Haare einen Silberschimmer zeigten, öffnete ihr und führte sie ins Wohnzimmer. »Setz dich«, sagte er, wies

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