Ein Land, das Himmel heißt
nicht, dass du jetzt allein durch Zululand fährst. Es könnte dir sonst was passieren.«
Allein die Vorstellung, jetzt vom Tisch aufzustehen und geradewegs in ein frisch gemachtes Bett zu fallen, den nächsten Morgen mit den Robertsons und einem wunderbaren Frühstück zu beginnen, genügte, um sie nur noch willenlos nicken zu lassen. Um Mitternacht fiel sie ins Bett und schlief fast sofort ein, sanft gestreichelt von dem Wind, der die weißen Musselingardinen im gelben Turmzimmer der Robertsonvilla blähte. Das Atmen des Meeres, die Laute der afrikanischen Nacht vereinigten sich zu einem sanften Wiegenlied. In dem Augenblick, als sie die Schwelle zum Traumreich überschreiten wollte, waren alle bei ihr. Mama, Christina, Tommy und Martin. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht schlief sie ein.
*
Bei der Identifizierung des Opals, mehr wurde ihr nicht zugemutet, denn das Zahnschema war schon von ihrem Zahnarzt als das ihrer Mutter bestätigt worden, erfuhr sie, dass Mamas Überreste erst nach eingehender Untersuchung freigegeben werden würden. Jill zerknüllte ihr Taschentuch zwischen den Fingern, als sie mit Tita und Neil, die sie in ihre Mitte genommen hatten, aus dem Polizeigebäude in die Sonne trat. »Wir feiern …«, sie stolperte über dieses Wort, »… wir feiern Eröffnung in etwas über zwei Wochen …«
»Haben wir nicht vergessen«, nickte Neil, »wir werden mit Fotoapparat und gespitztem Bleistift erscheinen, außerdem habe ich die Leute von TV 3 aufgescheucht, sie werden auch da sein und ausführlich berichten, genauso wie die Presseabteilung von South African Airways, wie mir Irma erzählte. Ich habe sie angerufen.«
»Aber die Beerdigung …?«
»Natürlich«, stimmte Tita zu, »die muss vorher stattfinden. Es wäre kein guter Beginn eines neuen Unternehmens, wenn die Gäste erst mal mit Tod und Vergänglichkeit konfrontiert werden. Außerdem willst du keine neugierigen Fremden dabeihaben. Neil, du musst was machen!«
Er erreichte, dass die Leiche Carlotta Courts als erste freigegeben wurde, und sie begruben sie neben Martin. Tita hielt Jill während der Zeremonie fest im Arm, Angelica stand auf der anderen Seite, und um sie herum alle, die ihr geblieben waren. Irma trug eine große Sonnenbrille, die ihre verquollenen Augen dahinter nur erahnen ließ. »Es ist mehr, als ein einzelner Menschen an Unglück verkraften sollte«, sagte sie ganz leise, als sie ihrer Cousine, die ihr mehr als eine Schwester gewesen war, ein Liliengebinde ins Grab warf. »Ich werde von jetzt an bei dir bleiben, Jill – wenn du mich haben möchtest?«
»Danke, ja, bitte …«, stammelte Jill zwischen den Schluchzern, die ihren Körper immer wieder wie Erdbebenstöße durchliefen. Dann war es vorbei. Irma fuhr zurück nach Kapstadt, um ihren Haushalt aufzulösen, und Jill stürzte sich mit aller Kraft in die Vorbereitung der Eröffnung.
Vier Tage vorher rief Neil an. »Jilly, ich hab eine Überraschung für dich. Über ein paar Verbindungen habe ich erreicht, dass ein deutsches Kamerateam, das gerade eine dieser politischen Betroffenheitsdokumentationen in Kapstadt abdreht, ihre Abreise ein paar Tage verschiebt und einen Bericht über Inqaba macht. Weißt du, Unternehmergeist im neuen Südafrika, Beteiligung deiner Arbeiter an der Farm, Aufbruch der Regenbogennation, diese Art …«
»Oh, fantastisch, das ist ja Klasse!«, rief Jill atemlos. Welche Aussichten. Fernsehen aus Übersee.
»Der Mann wird dich heute oder morgen anrufen, sei nett zu ihm. Er kann dir unglaublich nützen. Ein positiver Bericht über Inqaba in den deutschen Medien ist Gold wert. Nicht umsonst werden die Deutschen die Weltmeister der Fernreisen genannt.«
Der Reporter rief noch am selben Nachmittag an und stellte sich als Nils Rogge vor. Er vertrete einen der großen deutschen Fernsehsender, erklärte er. Seine tiefe Stimme war angenehm, etwas rau. Ähnlich wie die Martins. »Es wird ein allgemeiner Bericht werden über die Entschlossenheit der Südafrikaner aller Kulturen, aus dem Scherbenhaufen, den der Apartheidstaat hinterlassen hat, gegen alle Prognosen ein neues Südafrika zu bauen«, sagte er. »Ihre Gästefarm scheint uns ein wunderbares Beispiel dafür. Dieser Neil Robertson hat uns viel über Sie erzählt. Von Ihnen möchten ich dann Einzelheiten haben. Vor Kapstadt waren wir im Kongo, jetzt muss ich ein paar Berichte schreiben. Dazu brauche ich Ruhe, und außerdem hatten wir ein paar Tage Erholung geplant. Beides finden wir
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