Ein Land, das Himmel heißt
sumpfigen Boden zu verankern. Neunzehn Blutegel hatte sie sich an einem Abend von den Beinen gepflückt. Ihre Hände waren kräftig genug geworden, um ohne weiteres jemanden damit erwürgen zu können, wie sie zu Angelica bemerkt und dabei inbrünstig an Leon gedacht hatte.
Eine jüngere Frau in einem geblümten Flatterkleid und leichtem Leinenblazer kam aus der Bank des Einkaufszentrums. Sie trug eine prall gefüllte schwarze Sporttasche fest an den Körper gepresst und über der Schulter eine braune Umhängetasche, eilte, die Augen auf den Boden gerichtet, zu dem weißen Pkw, der neben Jills Wagen stand. Nervös, wie es schien, fummelte sie mit dem Schlüssel. Er fiel ihr aus der Hand und rutschte unter den Wagen. Bei dem Versuch, ihn aufzuheben, entglitt ihr nicht nur die schwarze Sporttasche, sondern auch die Umhängetasche. Beide fielen auf den Boden, die Letztere öffnete sich, und ihr Inhalt verstreute sich auf dem Asphalt. Die Frau packte die schwarze Tasche am Henkel und stellte sie auf das Wagendach. Dann kroch sie hastig über den Boden, sammelte den Inhalt der braunen Tasche ein, angelte dann den Schlüssel unter dem Wagen hervor und schloss auf.
Jill sah nur flüchtig hinüber, nahm die Frau nur aus den Augenwinkeln wahr, schaute dann wieder blicklos über den Parkplatz. Jemand hupte, das Auto der Frau fuhr an, aus der Parklücke heraus und entfernte sich mit quietschenden Reifen. Jill hielt sich den Kopf. Er schmerzte, als wäre er durch einen Eisenring eingeschnürt. Zwei Wochen. Woher sollte sie in zwei Wochen zehntausend Rand bekommen? Und die zweitausend für die Pflanzen? Früher hatte sie das ohne nachzudenken ausgegeben. Für Nebensächlichkeiten. Ihre Augen waren heiß und trocken. Zu viele ungeweinte Tränen, dachte sie, lehnte sich aus dem Auto, um die Tür zuzuziehen, und stutzte.
Die prall gefüllte Tasche der Frau lag zu ihren Füßen auf dem aufgebrochenen Asphalt des Parkplatzes. Jetzt erinnerte Jill sich, wie die Reifen gequietscht hatten, wie überaus nervös die Frau gewirkt hatte, als sie ihren Krimskrams aufsammelte. Dann hatte sie es wohl sehr eilig gehabt und so die Tasche auf dem Dach vergessen. Jill bückte sich und wuchtete sie hoch. Die Sporttasche war aus festem Material. Der Reißverschluss stand ein paar Zentimeter offen. Sie zog ihn weiter auf. Vielleicht konnte sie herausfinden, wie die Frau hieß und ihr dann ihr Eigentum zurückgeben. Die Tasche sprang, durch die pralle Füllung auseinander gedrückt, auf. Ein großer Packen Geldscheine fiel heraus, mehrere Samtsäckchen, wie sie Juweliere für ihre Kostbarkeiten benutzen, eine Pistole. Sie kramte weiter. Papiere in durchsichtigen Plastikumschlägen, Aktien, der Kaufvertrag für ein Haus, Briefe. Sie schob sie beiseite, öffnete behutsam die Samtsäckchen. Diamanten, zum Teil ungeschliffen, einiger Brillantschmuck, ein paar schwere Goldketten und zehn Goldbarren, jeder mindestens eine Unze schwer. Dann fielen zwei Pässe heraus. Laura und Charles Beresford. Adresse irgendwo in La Lucia. Mrs. Beresford hatte offenbar ihr Banksafe ausgeräumt, wie es schien, restlos. Mit dem Daumen blätterte Jill durch die Geldscheine. Dollars, Deutsche Mark, Schweizer Franken und ungefähr fünftausend Rand. Alles in allem zählte sie um die zweihunderttausend Mark.
Langsam sank sie in ihren Sitz zurück. Der Besitz von Rohdiamanten ohne Schürflizenz war, soweit sie wusste, noch immer ein Verbrechen, das gleich hinter Mord rangierte, es sei denn, man hieß Oppenheimer und besaß eine Diamantenmine. Den Verlust dieser Diamanten also würden diese Beresfords nicht einfach als Versicherungsschaden angeben können, und auch die Nervosität der Frau fand darin eine plausible Erklärung. Jills Hände waren plötzlich schweißnass. Ihre Gedanken rasten, ihr Kopf platzte fast. Einfach wegfahren? Niemandem etwas sagen, die Tasche verstecken, das Geld nur allmählich in Inqabas Schuldenstrom fließen lassen? Und allein die fünftausend Rand würden sie retten, ihr erlauben, alle Pflanzen zu kaufen. Schon hatte sie den Motor angelassen, lagen ihre Hände auf dem Ganghebel, als sie sich im Spiegel erblickte. Die dunklen Haare hingen ihr ins Gesicht, ihre Augen war fiebrig groß, hektische Flecken brannten auf ihren wachsbleichen Wangen. Eine Irrsinnige starrte ihr entgegen. Zutiefst erschrocken stellte sie den Motor ab, stopfte mit fliegenden Händen den Inhalt in die Tasche zurück und zog den Reißverschluss zu. Ihr schwarzes T-Shirt war
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