Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
auf die breite Couch. Dann fächerte er mehrere Fotos auf dem niedrigen Tisch vor ihr auf.
    Sie zog sie heran. Meist waren es unscharfe Aufnahmen, auf denen kaum mehr als Sand und ein paar Fische zu erkennen waren. Aber auf einer waren ein glänzender Fleck, wo der Fotoblitz auf Metall getroffen war, und deutlich die Buchstaben IMPA zu sehen. Ihr Blick fiel auf die nächste, und sie erstarrte. In Großaufnahme zeigte es eine bleiche Knochenhand, darin verfangen Mamas Opalpfau. Mit einem Aufschrei wandte sie sich ab.
    Tita fegte aus der Küche herein. »Verdammt, Neil, wie kannst du ihr diese Fotos vor dem Essen zeigen, hast du denn gar kein Feingefühl?«, rief sie aufgebracht und nötigte Jill ein Glas Cognac auf. »Hier, trink das, sonst machst du mir noch schlapp!«
    Der Alkohol traf ihren Magen wie flüssige Säure, die Hand auf den Mund gepresst, rannte sie in die Gästetoilette und übergab sich. Als sie zurückkam, zankten sich ihre Gastgeber lautstark. »Siehst du, was du angerichtet hast«, zischte Tita mit flammenden grünen Augen und raufte sich die kupferroten Locken.
    »Ich würde auch kotzen, wenn ich Cognac auf nüchternen Magen trinken müsste«, raunzte ihr Mann. »Entschuldige, Jill«, er legte ihr einen Arm um die Schultern, »ich gestehe, dass ich ein gefühlloser Klotz bin.«
    »Es ist schon gut«, sagte sie leise, »das war einfach zu viel. Als ich Mama zum letzten Mal sah, war sie lebendig, es ging ihr gut. Nun das Skelett … ich kann sie nicht damit in Verbindung bringen. Ich habe nie wirklich geglaubt, dass sie mit dem Flugzeug abgestürzt ist. Ich weiß, dass das irrational ist, aber irgendwie habe ich fest geglaubt, dass sie nur verreist ist …« Tränen erstickten ihre Stimme, Tita zog sie an sich, und sie weinte sich in der Geborgenheit der Umarmung diese große Last von der Seele. »Wann kann ich Mama begraben?«, flüsterte sie endlich.
    »Es wird noch einige Zeit dauern, ehe das alles freigegeben sein wird«, warnte Neil, »die IMPALA liegt unter Bergen von Sand, die Polizei sucht fieberhaft die Hintergründe zu durchleuchten. Aber alles ist zappenduster«, fuhr er fort, als sie sich am Esstisch auf der schönen Terrrasse der Robertsons niederließen, »kein Mensch weiß, warum das Flugzeug heruntergekommen ist. Es war neu. Ein technischer Defekt als Erklärung fällt aus.«
    »Die Motoren werden ausgesetzt haben«, bemerkte Tita trocken, stellte einen Korb mit Brot auf den Tisch und setzte sich.
    »Welch kluge Erkenntnis«, frotzelte Neil, »darauf ist bestimmt noch niemand bei der Polizei gekommen.« Er brach ein Stück Brot ab und steckte es in den Mund. »Offiziell wirst du deine Mutter auch noch identifizieren müssen, Jill. Ich wollte nur, dass du auf diese Fotos vorbereitet bist. Der Anhänger wird helfen, und sie werden euren Zahnarzt bitten, das Zahnschema mit dem deiner Mutter zu vergleichen.«
    »Ich werde das Begräbnis arrangieren, du kümmerst dich um gar nichts«, sagte Tita. »Ist deine Tante da?«
    »Ich werde sie gleich anrufen, sie wird sofort kommen.«
    »Ich mag sie«, sagte Tita, »sie ist rücksichtslos ehrlich, sehr angenehm. Ich mag ihre Bücher. Regina, du kannst jetzt auftragen«, rief sie im selben Atemzug.
    Gleich darauf erschien die Zulu mit einer dampfenden Schüssel, grüßte sie, und Jill antwortete, wie es sich gehörte, lüpfte dabei den Deckel und schnupperte hungrig. »Das riecht köstlich, Tita, ist das Curry? Ich habe seit Ewigkeiten keinen mehr gegessen. Für eine Person lohnt es sich nicht.« Und Lammfleisch war verdammt teuer geworden.
    Der Curry war in der besten indischen Tradition bereitet, umrandet von vielen Schüsselchen, gefüllt mit verschiedenen Chutneys, Joghurt mit Kardamom und frischen Gurkenstücken, höllenscharfem Tomaten-Zwiebel-Salat, süßen Karottenraspeln mit Rosinen und Mango-Lassi als kühlendem Getränk. Jill aß und trank so viel, dass sie das Gefühl hatte, keinen Schritt mehr gehen zu können. Aber es tat so gut, mit ihren Freunden hier zu sitzen, Essen serviert zu bekommen, umsorgt und verwöhnt zu werden. Es wurde sehr spät, und nach einer Himbeercharlotte mit Mascarponesahne, Kaffee, Pralinen und einem großen Cognac, war sie so müde, dass sie fast da und dort eingeschlafen wäre.
    »Bleib doch hier«, lud Tita sie ein, »es ist schon elf Uhr vorbei, und ob du nun heute Nacht oder morgen früh nach Hause kommst, es wird keiner auf dich warten, und hier bist du mehr als willkommen. Außerdem gefällt es mir

Weitere Kostenlose Bücher