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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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als Wachtposten eingestellt. Kurz darauf kam Fikile auf die Terrasse, die wie Bongi und Nelly eine brandneue, dottergelbe Uniform trug. »Gäste, Ma’m.« Sie sah Jill dabei nicht an.
    Flüchtig hatte Jill den Eindruck, als wäre etwas nicht in Ordnung, beruhigte sich aber mit der Tatsache, dass Fikile ihr das sofort gesagt hätte. Vermutlich war es diese Yasmin Kun. Rasch folgte sie ihr. Vor dem Haus parkte ein nagelneuer weißer BMW , der neue Gast, eine sehr schlanke Frau, hochelegant in kniekurzem schwarzem Kleid und großem Hut aus rotem Stroh, stand in der Eingangshalle, drehte ihr den Rücken zu. Trotzdem sah Jill, dass sie schwarze Haut hatte. »Guten Tag«, sagte sie, versuchte ihre Neugier nicht zu zeigen, »willkommen auf Inqaba.«
    Die andere Frau drehte sich um. Aus ihrem atemberaubenden Dekolleté stieg ein Schwanenhals, der ein ebenmäßig schönes Gesicht mit hohen Wangenknochen trug wie ein Stengel eine kostbare Blume. Das Besondere an dem Gesicht jedoch war die Farbe der Augen. Mal grau, mal grün, wie das Meer vor einem Sturm.
    Vor ihr stand Thandi Kunene, ihre Kindheitsfreundin. Es gab keinen Zweifel. »Thandi! Wie kommst du hierher? Was machst du hier? Und wieso Yasmin Kun?« Sie machte einen Schritt auf die andere Frau zu.
    »Hi, Jill«, Thandis Stimme war rauchig dunkel, »das ist mein Model-Name. Hab von deiner Eröffnung hier in Kapstadt gelesen, und das wollte ich mir nicht entgehen lassen.« Ihr Englisch war amerikanisch breit gewalzt, ihr Gehabe lasziv, ihr Haar war glatt und glänzend lackiert, sah aus wie eine Perücke.
    Jill war sich sofort sicher, dass sie log. Schon als Kind hatte Thandi viel gelogen, und schon damals konnte sie es ihr ansehen. Doch sie hatte jetzt keine Zeit, dieses Geheimnis zu lüften. »Willkommen«, sagte sie förmlich, »komm, ich zeige dir dein Zimmer. Du wirst dich noch daran erinnern, es gehörte Tommy.«
    Thandi glitt in dem katzenhaften Gang der Laufstegmodels neben ihr her. Goldreifen klirrten leise an ihren Handgelenken, am Hals funkelte ein Solitär. Mindestens ein halbes Karat, schätzte Jill und hielt ihr die Tür auf. Thandi rauschte ins Zimmer, drehte sich, berührte hier und da ein Stück Möbel, spähte aus dem Fenster und nickte dann. »Bisschen klein, aber okay. Ich hab ja gewusst, was mich erwartet. Lass mir meine Koffer aus dem Auto bringen«, ihr Ton war befehlsgewohnt, »ich möchte duschen und dann frühstücken. Und, Jill, bring mir eine Flasche Champagner aufs Zimmer. Bitte.« Das kam mit einem deutlichen Abstand zum letzten Satz.
    Jill stand stocksteif, schluckte, gab sich einen Ruck. »Natürlich, gern. Das Frühstück ist schon in vollem Gang.« Damit zog sie die Tür leise hinter sich zu. Für einen Moment lehnte sie neben der Tür an der Wand, suchte ihre Fassung wiederzugewinnen. Mist, dachte sie voller Inbrunst, so ein verdammter Mist! Warum musste gerade das passieren? Was wollte sie hier? Sie demütigen, ohne Zweifel, aber warum? Sie hatte keinen Streit mit Thandi. Außerdem konnte das doch nicht alles sein. Ihr Zwillingsbruder Popi tauchte aus dem Nichts auf. Und jetzt war auch sie hier. Zufall? Sie schüttelte die Gedanken von sich wie ein Hund die Nässe aus seinem Fell. Jetzt war keine Zeit dafür. Später, wenn alles vorbei war, würde sie darüber nachdenken. Morgen. Im Laufschritt eilte sie in die Küche und schickte Bongi mit einer Flasche Champagner auf Thandis Zimmer. Im Spiegel am Eingang ordnete sie mit zehn Fingern ihre Haare, prüfte den Sitz ihres fast knöchellangen weißen Leinenkleides, war dankbar, dass Lina, der dieses Kleid gehörte, genau die gleiche Figur hatte wie sie. Es saß perfekt. In Erinnerung an Thandis umwerfende Erscheinung knöpfte sie einen Knopf am Ausschnitt und einen über dem Knie auf. Dann ging sie auf die Terrasse, teilte Axel Hopper mit, dass Yasmin Kun angekommen sei und in Kürze zum Frühstück erscheinen würde.
    Seine dunklen Augen blitzten, die weißen Zähne leuchteten. Er war ganz offensichtlich hocherfreut. Seine Filmkamera stand zwischen seinen Beinen auf dem Boden. Nils reagierte nicht, schrieb weiter in sein Notizbuch, das immer griffbereit neben ihm lag.
    Ein Schatten huschte über sie hinweg. Automatisch sah Jill hoch und erblickte die drei Geier, die mit herabhängenden Beinen über ihr kreisten. Nach einem eleganten Segelflug landeten sie oben auf einer Akazie. Dort saßen sie, die Flügel hochgezogen, die Köpfe vorgestreckt, und starrten herunter, wie sie es am Tag zuvor

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