Ein Land, das Himmel heißt
Dann legte er auf.
Erleichtert nickte sie Nils zu. »Neil weiß Bescheid, und jetzt nichts wie raus hier.«
Aber dafür war es zu spät. Die Zulus schienen sie nicht mehr wahrzunehmen, auch Popi nicht, noch Thandi, die bei den Frauen stand. Sie bewegten sich im Takt zu ihrem Sprechgesang vorwärts, steigerten sich allmählich in Raserei, drängten sie und Nils bis an die Pferde zurück. Schon bildete sie sich ein, den Gestank von verbranntem Gummi, geröstetem Fleisch riechen zu können. Jemand entsicherte mit metallischem Ratschen eine Maschinenpistole, mehrere andere folgten. Sie bekam eine Gänsehaut.
»Cha, nein!« Das Wort donnerte über den Platz, übertönte den Tumult, ließ das Geschrei verstummen. Ben Dlaminis massige Gestalt bahnte sich einen Weg durch die Menge, die sich respektvoll vor ihm teilte. Dankbar sah sie, dass er nicht allein war, sondern Musa, Philani und etwa fünfzehn andere Männer ihn begleiteten, die sie alle als ihre Farmarbeiter erkannte. Ben blieb vor den Pferden mit den zusammengeschnürten Männern stehen. Zu seinen Arbeitshosen trug er ein Leopardenfell über den nackten Oberkörper geworfen, die eisgrauen Haare glänzten im Mondlicht, in seiner Faust hielt er einen reich verzierten Kampfstock. »Ihr werdet diese Männer nicht töten!«
Einige der Zulus murrten aufsässig, der, der den Benzinkanister geholt hatte, zündete ein Feuerzeug an.
Bens Kampfstock wirbelte durch die Luft, brach den Arm des Mannes, das Feuerzeug fiel auf den Boden, und Musa sprang vor und trat es aus. Schlagartig senkte sich Stille über den Indaba-Platz. Nicht einmal der Mann mit dem gebrochenen Arm wagte es, einen Schmerzenslaut auszustoßen. Er hielt den zerschmetterten Arm mit seiner gesunden Hand, biss sich auf die Lippen und schwieg. Ben wandte sich erst an Popi Kunene und dann an seine Stammesgenossen. »Diese Männer zu töten ist nicht klug. Sie sollen sagen, was sie getan haben. Ich will, dass sie vor der Wahrheitskommission stehen und den Familien ihrer Opfer in die Augen sehen und erklären, warum und wie ihre Angehörigen getötet wurden.« Langsam drehte sich Ben Dlamini im Kreis, sah jeden an. »Und ich will, dass sie uns allen sagen, dass es ihnen Leid tut.«
»Yebo«, antwortete man ihm, »sie sollen es sagen, wir wollen es hören. Wir wollen endlich trauern können.«
»Dann sollen sie ins Gefängnis gesperrt werden und dort ihr Leben leben, bis es zu Ende ist. Es wird ein langes Ende sein und kein gutes Leben. Yebo!«
»Yebo«, kam das dumpfe Echo, jetzt einstimmig. Die meisten von Popis Männern hatten sich auf die Erde gehockt, verhielten sich auf einmal völlig passiv. Die Raserei, die sie ergriffen hatte, der Dagga-Rausch schien verflogen. Auch die Frauen, die als Gruppe am schwierigsten zu kontrollieren waren, viel schwieriger als die Männer, hielten sich zurück. Ben Dlaminis Autorität schien absolut.
»Mein Gott, was für ein Mann«, sie hörte Nils’ Bewunderung deutlich, spürte, wie er neben ihr erleichtert durchatmete. »Das war knapp«, sagte er leise.
»Du musst jetzt gehen«, wandte sich Ben an Jill, »und nimm deinen Mann mit.« Er hatte ihr einen Befehl gegeben. Es war der Häuptling, der hier sprach.
»Wir gehen«, antwortete sie, stieß mit einem Fuß gegen einen der Autoreifen, »und wir nehmen die Kerle mit. Die Polizei ist schon auf dem Weg.« Sie formulierte es nicht als Frage. Sie war die Chefin von Inqaba, Ben hatte keine Autorität über sie. Das musste klargestellt werden.
Der alte Zulu sah sie aus blutunterlaufenen Augen eine geschlagene Minute schweigend an, dann nickte er. »Musa und Philani werden euch begleiten. Bindet sie los«, befahl er seinen Söhnen und zeigte auf die Pferde, nicht auf die Gefangenen.
So geschah es.
Auch die Kunene-Zwillinge schienen Ben Dlamini zu respektieren. Sie machten keine Anstalten, die Übergabe der Gefangenen an die Polizei zu verhindern. »Wir werden in den nächsten Tagen kommen und über die Farm und unsere Ahnen reden«, sagte Popi zu ihr, »und wir werden dir etwas zeigen.«
Für Sekunden erinnerte sie sich nicht einmal mehr, was er meinte. Dann fiel es ihr wieder ein. »Da gibt es nichts zu reden. Ihr habt kein Recht auf die Farm, egal, was ihr mir zeigen wollt.«
»Glaub bloß nicht, dass du dir die Farm allein unter den Nagel reißt«, Thandi war wieder Yasmin, ihr Amerikanisch so platt, als spielte sie in einem texanischen Western mit, »dein Land kannst du behalten, aber ich will Mäuse sehen. Ich
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