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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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werde mir hier eine Praxis einrichten und meinen Leuten helfen, und dazu brauche ich mehr Geld, als ich besitze.«
    »Vergiss es«, sagte Jill, fühlte sich mit einem Schlag so müde, dass ihr fast im Stehen die Augen zufielen. Das überwältigende Bedürfnis wegzulaufen packte sie. Vor sich selbst, Len Pienaar, den Kunene-Zwillingen. Inqaba. Einfach weg, woandershin.
    »Wir werden kommen«, wiederholte Popi Kunene leise, aber mit einer unmissverständlichen Drohung in der Stimme, »ich will, was meins ist.« Damit glitt er in die Dunkelheit hinter dem Mahagonibaum, Thandi folgte ihm.
    Jill nahm an, dass er zu seinem Lager im Busch zurückkehrte, irgendwo im verwilderten Teil oberhalb des Flusses. Nun, dem würde sie ein Ende bereiten, nahm sie sich grimmig vor, gleich morgen. »Es ist mein Land«, schrie sie ihm nach, »niemand wird es mir je nehmen. Ich schick euch die Polizei auf den Hals.« Als Antwort zitterte ein Kichern in der Luft, ein hämisches Geräusch, böse, aufgeladen mit einer Drohung, die die feinen Härchen auf ihren Armen hochstehen ließ.
    »He, Jill, sorgen Sie dafür, dass diese Schweine mir die Fesseln abmachen, sofort«, zeterte Len und ruderte mit seinem blutverschmierten Armstumpf. Schweiß tropfte von seinem hochroten Gesicht auf die Erde, sammelte sich in einem dunklen Fleck.
    Keiner würdigte ihn eines Blickes. Bens Söhne banden, wie befohlen, die Pferde los, Nils übernahm das des Mannes, der geredet hatte. »Ich kann ganz gut mit Pferden umgehen«, erklärte er Jill, als er den kastanienbraunen Hengst am Halfter durchs Dorf leitete. Der zusammengeschnürte Mann wippte im Takt der Hufe hin und her, auf und nieder. Er wimmerte nicht einmal mehr. Jill hatte den Verdacht, dass er vor Angst ohnmächtig geworden war.
    »Musa, wir nehmen die Sandstraße zum Haupthaus, nicht die Abkürzung. Wenn wir Glück haben, können wir die Polizei abfangen, ehe das Sirenengeheul die Gäste aufweckt. Kein Grund, sie zu beunruhigen«, wies sie Bens Sohn an.
    Die Zulus in ihrem Rücken murrten, einer brüllte ein paar Worte, bekam lautstarke Zustimmung.
    »Bloß weg hier, lange kann Ben sie nicht in Schach halten«, flüsterte sie Nils zu, drückte die Wahlwiederholung ihres Handys. Neil meldete sich sofort, berichtete, dass die Polizei schon unterwegs sei. »Wir haben die drei Kerle mitgenommen«, sagte sie, »hoffentlich merken die Gäste nichts.«
    Der Wunsch jedoch wurde ihr nicht erfüllt. Blaulichtblitze zuckten durch die Dunkelheit, das gespenstische Jaulen von Sirenen erfüllte die Luft, laut genug, um jeden im Umkreis von einem Kilometer aufzuwecken. Fünf Polizeiautos und ein Mannschaftswagen holperten über die schmale Straße, bremsten quietschend, als die Gruppe plötzlich in ihrem Scheinwerferlicht auftauchte. Die Polizisten sprangen heraus, und danach ging alles ziemlich schnell.
    Unter ihnen waren nur zwei Weiße, die drei höchsten Ränge bekleideten Afrikaner. Drei stämmige schwarze Polizeibeamte warfen sich auf ihren Befehl hin Len und seine Begleiter kurzerhand über die Schulter, eingeschnürt wie sie waren, und beförderten sie in den Mannschaftswagen. Minutenlang noch hörte sie Len schimpfen und schreien, aber auch mit der Polizei hatte er kein Glück. Befriedigt stellte sie fest, dass niemand auch nur Anstalten machte, ihm die Fesseln abzunehmen. Im rotierenden Blaulicht sah sie ihn zwischen den schwarzen Polizisten sitzen. Irgendjemand hatte ihm seinen breitkrempigen Hut verkehrt herum auf den Kopf gesetzt. Es wirkte lächerlich.
    Nils und sie gaben im Polizeiwagen sitzend ihre Geschichte zu Protokoll, und dann war es vorbei. »Wir lassen die Pferde morgen abholen«, sagte der, der offenbar das Kommando führte. Dann sprangen die Motoren an, Sirenen heulten auf, Blaulicht zuckte, und der Konvoi verschwand in die Dunkelheit, zwei Wagen und der Mannschaftswagen mit den Gefangenen in Richtung Stadt, die anderen drei fuhren weiter den schmalen Weg hinunter zum Dorf der Farmarbeiter.
    Nils und sie standen allein mitten auf der Straße. In der Ferne hörten sie den Aufruhr, den die Polizei im Dorf verursachte, grobe Stimmen wurden vom leichten Wind herübergeweht, Geschrei. Es war kurz nach zwölf, die afrikanische Nacht pechschwarz, Wolken verdeckten den Mond, Bäume die Nachtbeleuchtung des Haupthauses. Zu ihrer Bestürzung stellte sie fest, dass sie sich unbehaglich fühlte, dass die Geräusche, die geheimnsivolle Schwärze nicht mehr ihre Freunde waren. Inqaba hatte sich

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