Ein Land, das Himmel heißt
bist mir nicht mehr willkommen. Ich werde dir die Rechnung hinlegen.« Glücklicherweise wanderte die Wolke weiter, der Mond kam hervor, und sie konnte die schattenhaften Gestalten wieder erkennen.
Thandile Kunene sah sie kühl an, dann flüsterte sie ihrem Bruder etwas zu. Jill lehnte sich vor, um es verstehen zu können, aber die Schwarze sprach zu leise, schien Schwierigkeiten zu haben, ihren Bruder umzustimmen, aber endlich nickte er. »Qheluka«, befahl er, »geht zur Seite«, und seine Leute zogen sich wieder in den Busch zurück, der Weg lag leer im Mondlicht vor ihr. Mutig geworden, wandte sie sich noch einmal um, bevor sie ging.
»Inqaba ist meins, vergesst das nie«, schrie sie auftrumpfend. Dann rannte sie los. Mit langen Schritten lief sie nach Hause, gewann mit jedem Schritt, mit dem sie sich von dem Rattenfänger entfernte, mehr Kraft und Kampfeslust. Die Zulus zischten hinter ihr her, das Geräusch begleitete sie noch lange. Popi und seine Leute hatten ihr den Krieg erklärt, und sie schwor sich, sich nicht kleinkriegen zu lassen.
Nils und Axel waren nicht zu sehen, als sie eintraf, doch der Geländewagen parkte auf dem Hof. Kaum war sie innerhalb der schützenden Hausmauern, verließ sie ihre Kraft. Sie fing an zu zittern. Mit beiden Händen hielt sie sich an der Wand fest, wartete, aber das Zittern wollte nicht weichen. Der Schock hatte eingesetzt, sie fühlte, wie ihr Mut zusammenbrach. Was hatte sie dem Rattenfänger und seinen Leuten entgegenzusetzen? »O Gott, hilf mir«, wimmerte sie. Irma war in Durban, sie fühlte sich so allein wie noch nie, dachte sogar daran, zu Nelly zu laufen, sich in ihren Armen zu vergraben, alles Hässliche auszuschließen. Nelly würde sie streicheln, mit zärtlichen Worten trösten, auch heute noch.
Doch sie brachte das jammernde Kind in sich zum Schweigen und lief, froh, dass ihr bisher kein Gast begegnet war, ins Wohnzimmer, nahm wahllos eine Flasche Cognac heraus, kein Glas, und flüchtete sich ins Geschichtenzimmer. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Mondlicht strömte durch das schmale Fenster, über die Holzdielen, die Wände lagen im Schatten. Sie setzte sich auf den Boden, lehnte sich gegen das Sofa, starrte durch die Glastür hinaus. Ab und zu nahm sie einen tiefen Schluck aus der Cognacflasche. Der Alkohol, den sie nicht gewohnt war, verwandelte sich in ihrem Magen in ein wärmendes Feuer, das sich im ganzen Körper verteilte, machte ihr die Beine schwer, stieg ihr in den Kopf. Nach einer Weile stellte sie die Flasche neben sich auf den Boden, verbarg ihr Gesicht in den verschränkten Armen und schluchzte ihre Verzweiflung heraus.
Irgendwann hörte sie, dass der Türgriff leise heruntergedrückt wurde, spürte den Luftzug, als die Tür geöffnet wurde, hörte eine Diele knarren. Sie hob den Kopf. Es war Nils.
Wortlos kniete er sich vor ihr auf den Boden, nahm ein Taschentuch aus seiner Tasche, hob ihr Gesicht und wischte es trocken. Dann zog er sie hoch und nahm sie in die Arme. »Was ist? Kannst du drüber reden?« Seine Stimme war rau und warm.
Mit aller Kraft kämpfte sie ihre Tränen hinunter, schluckte, um ihre Stimme zu klären, aber sie konnte nicht gegen ihre Gefühle ankommen. Das Verlangen, mit einem Menschen zu sprechen, war zu groß. Die Worte brachen wie ein Wasserfall aus ihr heraus. Sie erzählte ihm alles, von dem Tag angefangen, als Thuleleni auftauchte. Alles.
Der Mond verblasste schon, als ihre Stimme verklang. Nur noch das leise Lachen der Geckos und das Rauschen des kräftigen Windes, der während der Nacht aufgekommen war, waren im Raum zu hören. Nils stand auf, zog sie mit sich. »Komm«, sagte er, »ich bring dich jetzt ins Bett, und morgen besorge ich dir die Nummer deines Vaters. Du musst mit ihm reden.«
Als sie seinen Bungalow erreichten, fiel sie ins Bett, schlief in seinen Armen ein und wachte nicht einmal auf, als die Hadidahs vor dem Schlafzimmer ihre Weckrufe ausstießen. Als sie endlich die Augen aufschlug, war es schon fast Frühstückszeit.
15
H astig machte sie sich fertig, zog sich ein weißes T-Shirt und Shorts an und rannte hinüber ins Haupthaus. Die meisten der Gäste saßen schon beim Frühstück. Joyce und Peter Kent kamen ihr in der Eingangshalle entgegen, Peter hielt einen Koffer auf seinen Knien, Joyce schob den Rollstuhl, Bongi trug einen weiteren Koffer. Die Kents verabschiedeten sich von ihr. »Es war wunderbar, aber es ist noch ein wenig anstrengend für Peter«, erklärte Joyce, doch Jill
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