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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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hatte den Eindruck, dass die Vorfälle der letzten Tage zu sehr an den Nerven der beiden Kents gezehrt hatten. Das konnte sie problemlos nachvollziehen. Sie ließ das Tor für die scheidenden Gäste öffnen.
    Auf dem Weg zu ihrem Büro musste sie an Thandis Zimmer vorbeigehen. Die Tür war geschlossen, kein Laut drang heraus. Zögernd klopfte sie, und als niemand antwortete, drückte sie die Klinke nieder. Das Gepäck war verschwunden, die Schranktüren standen offen. Thandi war offenbar ausgezogen. Ohne dass sie es bemerkt hätte. Vermutlich sehr früh morgens oder noch in der Nacht. Der Gedanke beunruhigte sie. War Thandi allein hier gewesen? War Popi dabei gewesen? Sie ging zum Fenster, sah hinaus. Der weiße BMW war auch weg. Da die Gäste das Tor selbst von innen aufmachen konnten, war das nicht verwunderlich. Wie aber war Thandi von draußen hereingekommen? Das Tor wurde endgültig um zehn Uhr abends geschlossen, wer später kam, musste vorher Bescheid sagen, damit ihm geöffnet werden konnte.
    Beklommen schloss sie die Tür hinter sich. Sie fragte Bongi und Zanele, aber die wussten nicht, ob und wann Thandi im Haus gewesen war, hatten niemanden gesehen, der nicht dorthin gehörte. Sagten sie zumindest. Jill war sich klar, dass durchaus eines der Mädchen Thandi das Tor geöffnet haben konnte, aber im Moment musste sie sich damit begnügen. Dann rief sie Irma von ihrem Büro aus an. Sie erreichte sie bei Freunden, erzählte ihr von Popi und Thandi und den Narben und dem Aufruhr, der seitdem in ihrem Seelenleben herrschte. »Ich kann es einfach nicht glauben. Nicht Daddy.«
    »Ach du Schreck«, kommentierte Irma, und das blieb für längere Zeit das Einzige, was sie sagte.
    »Weißt du, wo ich Daddy erreichen kann?«
    »Nein.« Beide versanken wieder in Brüten. »Ausgerechnet eine Zulu«, murmelte Irma zwischendurch.
    »Welchen Unterschied würde es machen, wenn Thuleleni weiß gewesen wäre?«, fragte Jill. »Vergewaltigt ist vergewaltigt, betrogen ist betrogen.«
    »Auch wahr«, sagte Irma, verfiel wieder in Schweigen. »Ich bin in zwei Stunden zu Hause«, sagte sie dann unvermittelt und legte auf.
    Jill fragte Nils um Rat. Nach einer viertel Stunde kam er zu ihr. »Ich habe einen Freund in Frankreich wegen der Nummer angerufen. Er hat versprochen, sich gegen Mittag zu melden. Ich muss noch mal mit Axel los, die Umgebung erkunden. Ich werde rechtzeitig hier sein.« Sie küssten sich, und sie winkte ihm, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Die Nacht in seinen Armen, in der sie fest und traumlos durchgeschlafen hatte, hatte geholfen, ihr Nervenkostüm wieder einigermaßen zu reparieren.
    Sie nahm den Stapel Rechnungen in Angriff, die sich in den letzten Tagen auf ihrem Schreibtisch gestapelt hatten, und sortierte sie in »brandeilig«, »eilig« und »Warteschlange«. Dann legte sie alle drei Stapel in eine Schublade und schob sie zu. Die Zahlen auf ihrem Konto brauchte sie sich nicht anzusehen, sie waren tiefrot, daran änderten auch die Einnahmen von ihren ersten Gästen nichts, obwohl diese mit Kreditkarte und im Voraus bezahlt hatten. Bei guter Belegung, kalkulierte sie, würde sie sich zwar langsam aus dem Sumpf emporarbeiten können, aber ein Jahr würde es mindestens noch dauern, ehe sie auch nur Licht sähe. Die Frage, ob sie das durchhalten könnte, stellte sie sich nicht. Sie hatte Angst vor der Antwort. Einige ihrer entfernten Nachbarn hatten aufgegeben, ihre Farmen verkauft. Manche hatten Glück gehabt und Käufer aus Übersee gefunden, die sich Hals über Kopf in das Land, die Wildtiere, die Menschen verliebt hatten. Ohne zu murren zahlten sie Fantasiepreise. Der billige Rand machte es möglich.
    Sie drängte jeden Gedanken an Verkauf zurück, ging stattdessen die Kosten des vergangenen Monats durch, suchte nach Posten, wo sie einsparen konnte. Sie fand keine. Wie sie erwartet hatte. Verzweifelt kaute sie an ihrem Bleifstift, strich dann den Föhn und den Friseurbesuch, von dem sie träumte. Ihre Privatentnahmen mussten so gering wie möglich bleiben. Die Ananasernte war mäßig gewesen, der Mais einigermaßen ertragreich dieses Jahr, aber die Preise, die sie dafür bekommen würde, waren lächerlich. Früher hatte ihr Vater Sojabohnen angebaut und im Winter Weizen, doch seitdem die Regenfälle spärlicher geworden waren, hatte es eine Missernte nach der anderen gegeben. Das Bleistiftende sah bereits aus, als hätte es eine Maus angenagt. Vielleicht sollte sie Tabak anbauen? In Simbabwe wurden so

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