Ein Land, das Himmel heißt
dreimal wiederholen, weil sie sich verwählt hatte. Dann kam sie durch. Sie zwirbelte die Schnur, biss sich auf die Lippen, zählte die Fliesen auf dem Boden, während das Telefon klingelte. »Daddy?«, fragte sie, als ein Mann sich mit »’allo« meldete.
»Kätzchen«, sagte dann die Stimme, die sie so lange vermisst hatte, und sie fing an zu weinen. Unterbewusst nahm sie wahr, dass Nils Irma und Axel aus der Tür schob und diese leise hinter sich schloss. Sie war allein mit ihrem Vater.
»Daddy … geht es dir gut?« Sie hörte das Echo ihrer eigenen Stimme in der Leitung.
»Nun ja«, antwortete er nach einer Pause, »ich bin gesund.«
Wie sollte sie es ihm bloß sagen? Daddy, alles in Ordnung, Popi und Thandi sind nicht deine Kinder? Mama hat das falsch verstanden? Oder anders: Daddy, du hast Thuleleni nicht vergewaltigt, warum ist Mama dann in das Flugzeug gestiegen, warum hast du mich verlassen? Sie lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand, fand nicht die richtigen Worte.
»Was ist, Kätzchen? Brauchst du Hilfe?«
»Nein … doch … Daddy«, sie musste schlucken, »die Kunene-Zwillinge … du bist nicht ihr Vater.« Nicht ihr Vater, nicht ihr Vater, rief das Echo in der transatlantischen Leitung. Es rauschte und knisterte, sie hörte ihn atmen. Die Sekunden tickten vorbei, wurden zu Minuten. »Ich weiß«, hörte sie schließlich, »ich weiß.«
Ihr fiel fast der Hörer aus der Hand. Er hatte es laut und unmissverständlich gesagt. Ich weiß. »Die Zwillinge wollen als deine Kinder zwei Drittel der Farm«, stammelte sie, »je ein Drittel für sie, ein Drittel für mich.«
»Steht ihnen nicht zu, wirf sie raus.« Seine Stimme klang leblos, metallisch, wie eine Computerstimme.
Vollkommen durcheinander, war sie nicht im Stande, die übereinander purzelnden Erwiderungen, die ihr auf der Zunge lagen, zu formulieren. Warum bist du dann abgehauen, Daddy, welchen anderen Grund gab es für Mama, in das Flugzeug zu steigen, warum lässt du mich allein, warum hilfst du mir nicht? Das wollte sie eigentlich alles fragen, aber sie bekam nur ein Wort heraus. »Warum?« Ihr Echo kam zu ihr zurück, begleitet von seinem Schweigen. »Dad!«
»Betrogen ist betrogen.« Damit legte er auf.
Sie stand da, den Hörer in der Hand, sprachlos. Nach einer Weile legte sie ihn auf, langsam und sorgfältig, und setzte sich in ihren Sessel, stützte ihr Kinn in die Hand. Reglos saß sie da, starrte vor sich hin. Minutenlang. Dann nahm sie die Vase, die mit Hibiskusblüten gefüllt auf dem Tisch stand, von der sie sich erinnerte, dass sie über zweihundert Rand gekostet hatte, und warf sie mit einem Aufschrei an die Wand. Die Hibiskusblüten rutschten mit dem Wasserschwall daran hinunter und fielen auf den Boden. Sie sahen hübsch aus, Rosa und Gelb zu dem Honiggold der Fliesen.
Sekunden später stürzten Irma, Nils und Axel herein. »Was ist passiert?«, schrie Irma. »Ist etwas mit Phillip?«
Sie drehte sich um zu ihr. »Ich weiß, hat er gesagt. Als ich ihm sagte, dass er nicht der Vater der Kunene-Zwillinge ist, war das seine einzige Antwort. Ich weiß. Kannst du das verstehen? Was fällt ihm eigentlich ein? Er kann doch nicht einfach verschwinden, mir nicht sagen, wohin, zulassen, dass ich mich vor lauter Sorgen verzehre …« Sie konnte kaum Luft holen, so sehr wurde sie von Zorn und Enttäuschung geschüttelt. »Er hat sich gedrückt und mich mit allem hier allein gelassen.«
Nils und Axel standen ihrem Ausbruch mit allen Anzeichen der Hilflosigkeit gegenüber. Nils tätschelte ihr unbeholfen den Rücken. »Schsch. Es gibt sicher für alles eine Erklärung, ich weiß zwar nicht, was los ist, aber dein Vater hat bestimmt gute Gründe.«
»Welche Gründe sollte ein Vater haben, sein einziges Kind so zu behandeln?« Sie lief in höchster Erregung im Zimmer umher, berührte hier etwas, veschob dort etwas, hob eine heruntergefallene Hibiskusblüte auf und zerpflückte sie, ohne es zu merken.
Irma zog sie fest an sich. »Könnten Sie uns bitte einen Moment allein lassen?«, bat sie die beiden Reporter und wartete, bis diese die Tür hinter sich geschlossen hatten, dann redete sie weiter. »Menschen in extremen Situationen handeln manchmal für andere unverständlich. Phillip muss mit der Schuld leben, dass etwas, was er getan hat, der Auslöser für den Tod deiner Mutter war. Du weißt nicht, was zwischen den beiden vor sich gegangen ist, was wirklich geschehen ist.«
Dann fiel Jill wieder ein, was sie in dem Moment,
Weitere Kostenlose Bücher