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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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als sie es hörte, sofort von sich geschoben hatte. Sie machte sich los, sah Irma an. »Als ich ihn fragte, warum er verschwunden ist, obwohl er weiß, dass die Kunene-Zwillinge nicht seine Kinder sind, sagte er nur: ›Betrogen ist betrogen‹, und hat aufgelegt.« Sie zuckte bei ihren eigenen Worten zusammen. Mit einem Schlag wurde ihr klar, wusste sie jetzt, warum ihr Vater sie allein gelassen hatte. Sie starrte aus dem Fenster.
    Irma sprach es aus. »Damit hat er es dir gesagt. Auch wenn es schwer fällt, sich das vorzustellen, aber er hat deine Mutter offenbar mit Thuleleni betrogen …«
    Jill drehte sich um und verbarg ihr Gesicht in der Halsgrube ihrer Tante, hielt sich die Ohren zu. »Er hat dich nur verlassen, weil er genau wusste, dass du stark genug bist, alles allein zu packen. Schuld, der keine Sühne folgt, zerstört. Er wird sich bestimmt wieder bei dir melden, wenn er über alles nachgedacht hat. Hab so lange Geduld, mein Liebes. Vielleicht gibt es eine andere Erklärung.«
    Sie nickte, erlaubte sich noch einen Moment in der schützenden Umarmung, ehe sie sich mit einem Kuss von ihrer Tante löste. Es tat so gut, von Irma gehalten zu werden, tat so gut, ihre sanfte, ruhige Stimme zu hören, die plausiblen Erklärungen, die ihren Zorn dämpften. »Ich glaube es trotzdem nicht. Es ist nicht seine Art.« Gemeinsam verließen sie das Zimmer. Es waren neue Gäste angekommen, die für den Bungalow gebucht waren, den die Kents frei gemacht hatten. Sie begrüßte sie, erledigte die Formalitäten und erklärte ihnen an Hand einer Karte, wo sie was in Inqaba finden würden. Es waren Touristen aus England. Angenehme, interessierte Leute in den Vierzigern. Sie vergaß ihre Gesichter, sobald sich die Tür des Bungalows hinter ihnen geschlossen hatte.
    An der Tür ihres Schlafzimmers fand sie einen Zettel von Nils vor, dass er mit Axel noch einmal weggefahren war. Sie entfernte den Zettel, wollte eben eintreten, als sie ein Geräusch aus Thandis Zimmer vernahm. Sie erstarrte. War die Zulu zurückgekehrt? Sie zögerte, aber nur kurz, dann klopfte sie. »Ich bin’s, Jill, mach auf.«
    Die Tür öffnete sich langsam. Thandi stand vor ihr. Umwerfend schön, ohne Perücke, ihre eigenen Kraushaare in Form geschnitten, das Gesicht ohne Make-up. »Was willst du?« Der Ton war hochmütig, aber sie trat einen Schritt zurück.
    »Reden.« Jill ging hinein. Was, wusste sie allerdings noch nicht.
    Die beiden Frauen sahen sich an. Die Luft knisterte. »Was ist passiert, Thandi? Was willst du? Du wirst doch niemals hier leben, sieh dich doch nur an.« Jill drehte sie so, dass sie in den großen Spiegel, der an der Wand hing, blicken musste.
    Thandi lächelte ihrem Spiegelbild zu. Leinenschuhe, Khakishorts, weiße Bluse, aufgekrempelte Ärmel, Goldkette um den Hals. In Modelpose stützte sie eine Hand in die Hüfte, stellte einen Fuß vor den anderen. »Ich brauche das Geld«, sagte sie zu Jill im Spiegel, »ich werde alt – für ein Model«, setzte sie hinzu, als Jill laut loslachte, »ich hab gut gelebt, das Geld so schnell ausgegeben, wie ich es verdiente, habe geglaubt, dass das ewig so geht, bis ich einen Unfall hatte. Einen kleinen, nichts Schlimmes, aber in den Tagen, die ich im Krankenhaus zubringen musste, bin ich zu Sinnen gekommen. Ich hab mein Medizinstudium wieder aufgenommen und beendet. Jetzt bin ich Kinderärztin. Ich brauche das Geld, um eine kleine Klinik in Zululand zu finanzieren. Und dann wird Yasmin Kun aufhören zu existieren. Dann gibt es nur noch Dr. Thandile Kunene. Und lass dich nicht von meinem Äußeren täuschen, Jill, ich bin stark und kann arbeiten, und ich kann mich durchsetzen. Wenn du denkst, der Dschungel hier ist gefährlich, hast du den von der internationalen Modelszene noch nicht kennen gelernt.« Thandi bog ihre Finger zu Krallen, zeigte ihre langen roten Nägel. »Glaub mir, ich kann auf mich aufpassen.« Sie lächelte ein kaltes, hartes Lächeln.
    Jill glaubte ihr aufs Wort, starrte sie entgeistert an, zu krass war die Wandlung von dem lasziven Jetset-Model zu der klar und knapp redenden Ärztin, in deren Sprache nicht eine Spur des aufgesetzten amerikanischen Akzents mehr zu hören war. Bevor sie sich fassen konnte, redete Thandi weiter. »Ihr Steinachs habt lange genug von uns gelebt, von unserem Land, wie Parasiten habt ihr es ausgesaugt, wir wollen nur das zurück, was uns gehört …«
    »Weil ihr behauptet, die Nachkommen von Mpandes zweitem Sohn zu sein, oder weil ihr mir

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