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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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weismachen wollt, dass wir denselben Vater haben?« Jills ganze Angst bündelte sich jetzt in Wut. Das Blut stieg ihr ins Gesicht, ihre Wangen glühten.
    »Du hast die Narben gesehen.Wir haben es erst erfahren, als wir einen Brief fanden, den uns Thuleleni, unsere Mutter, hinterlassen hat. Darin teilte sie uns das mit. Sie ist letztes Jahr gestorben.«
    Sollte sie Thandile jetzt die Wahrheit um die Ohren hauen? Oder lieber in der Hinterhand halten, um sie vor größerem Publikum wirksamer einzusetzen? Vielleicht kannten die Zwillinge die Wahrheit nicht, dann war das Überraschungsmoment umso größer. Sie entschied sich schnell für das Letzere. »Dann sieh dich vor, Thandi, Tochter von Thuleleni«, fauchte sie, die Augen zu Schlitzen geschlossen, »denn ich kann auch kämpfen. Ihr kriegt keinen Quadratzentimeter von Inqaba!« Sie öffnete die Tür, widerstand dem Impuls, sie zu knallen, sondern schloss sie sanft.
    Verstört stand sie einen Moment da, musste mit der Regung fertig werden, dass sie, bei aller Wut auf Thandi, ihr die Anerkennung nicht verweigern konnte. Kinderärztin. Südafrika brauchte Ärzte so nötig, dass es sogar eine Anzahl aus Kuba importiert hatte, und Kinderärzte brauchte das Land besonders. Nachdenklich ging sie in ihr Zimmer, saß dort lange, ohne etwas zu tun, dachte über alles nach. Ihr Vater konnte nicht der Vater der Zwillinge sein, das stand fest. Conrad von Bernitt war tot, Leon konnte sie unmöglich fragen. Es blieb nur ihr Vater. Der Zettel mit seiner Telefonnummer klebte noch auf dem Telefon. Einem Impuls gehorchend wählte sie und wartete, als sie das Freizeichen hörte. Sie ließ es klingeln, bis sie automatisch aus der Leitung geworfen wurde. Enttäuscht legte sie wieder auf. Vermutlich saß ihr Vater irgendwo in einem Bistro und trank seinen täglichen Espresso, vielleicht plauderte er mit Freunden oder spazierte auf der Promenade von Juan Les Pins, schäkerte mit einer Freundin. Es machte sie wütend und frustriert, daran zu denken. Sie räumte ihren Schreibtisch auf und ging auf die Terrasse, um die Gäste zum Nachmittagstee zu begrüßen.
    Nach einer halben Stunde hatte sie diese Pflicht hinter sich, merkte erfreut, dass sie eine gewisse Routine bekam. Nils und Axel waren noch nicht zurückgekehrt, so ging sie in die Küche, nahm sich einen Sandwich und machte sich auf den Weg zu Irma, um ihr von der Begegnung mit Thandi zu erzählen. In diesem Moment steuerte Nils den Geländewagen auf den Hof. Jill ging den Männern entgegen. »Hi«, lächelte sie und hob ihr Gesicht, um sich von Nils küssen zu lassen. Er roch nach Bier. »In welcher Kneipe habt ihr denn euren Tag verbracht?« Sie kicherte über ihre eigene Frage.
    »Wir haben gearbeitet«, protestierte Axel, »wir haben mit Ben Dlamini geredet und mussten Bier trinken, um ihn nicht zu beleidigen. Solche Bottiche voll.« Er formte mit den Händen ein bauchiges Gefäß von immensen Ausmaßen und grinste.
    »Ach ja, ihr Armen. Habt ihr gutes Material über das Leben im Dorf bekommen? Schöne Bilder, die Inqaba anpreisen? Die mir viele Gäste mit viel Geld einbringen? Das ist eure Pflicht, das wisst ihr doch, nicht wahr?« Sie kicherte wieder.
    »Was?«, Nils schien abgelenkt. »Ja, oh ja, sehr gut, danke. Ist etwas teuer geworden, aber gut. Wir werden das Material gleich noch sichten. Das wird allerdings einige Zeit dauern. Wollen wir nachher zusammen essen gehen? Zu deiner Freundin Angelica vielleicht? Ich komme rüber, wenn wir fertig sind. Axel«, er lächelte anzüglich, »hat andere Pläne.«
    Sie wollte. Sehr gern.
    Es wurde ein ausgelassener Abend, und als sie sich später in seinem Schlafzimmer gegenüberstanden, seine Hände sie berührten, war sie glücklicher, als sie seit langem gewesen war.
    *
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, platzte sie fast vor Glück und Tatkraft. Nils lag auf dem Bauch neben ihr, das Gesicht im Kissen vergraben, und schlief fest. Sie knabberte vorsichtig an seinem Ohr, rief sich zur Ordnung, als ihr Mund einfach weiterwanderte, schlug behutsam das Laken zurück und stand auf. Sie hatte sich entschlossen. Gleich nach dem Frühstück würde sie zu dem Diamantenhändler fahren, ihm den Diamanten aus Martins Verlobungsring verkaufen und ihn bitten, einen Zirkon einzusetzen. Es machte keinen Unterschied. Für sie nicht, und nur das zählte. Sie schrieb Nils einen Zettel, legte ihn auf den Nachttisch, widerstand dem Impuls, ihn zu küssen, schloss die Tür so leise sie konnte hinter sich

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