Ein Land, das Himmel heißt
und ging hinüber in ihr eigenes Zimmer. Eine Dreiviertelstunde später befand sie sich in Irmas rotem Auto auf dem Weg nach Durban. Es war erst Viertel nach sieben.
Der Diamantenhändler führte ein bekanntes Juweliergeschäft mitten in der Stadt. Sie musste klingeln, und erst nach einer Gesichtskontrolle wurde sie eingelassen. So wurde das dieser Tage in ähnlichen Geschäften überall gehandhabt. Der bullige Türsteher zeigte ihr den Weg nach oben in das Büro des Juweliers. Als sie eintrat, dachte sie im ersten Moment, sie wäre allein, bis sie ein uralten, schwarz gekleideten kleinen Mann in einem Rollstuhl entdeckte. »Kommen Sie herein, Jill«, sagte er mit dünner Stimme, »entschuldigen Sie, wenn ich nicht aufstehe.« Er lächelte sie aus strahlend blauen Augen an, die tief in ihren Höhlen lagen, aber die Klarheit und das Feuer eines jungen Mannes hatten.
Sie zeigte ihm den Ring, wartete angespannt, während er ihn mit der Lupe äußerst genau betrachtete. Die Haut seiner Hände war sehr weiß, mit Altersflecken übersät, die Finger waren lang, von Arthritis gekrümmt. Auf dem Hinterkopf trug er ein schwarzes Käppchen. Während sie ihm zusah, überfiel sie aus heiterem Himmel die Angst, dass der Diamant nicht echt sein könnte, dass Martin das Geld für etwas anderes verwandt oder den Diamanten irgendwann ausgetauscht hatte. Bei gewissen Tätigkeiten, zum Beispiel wenn sie den Garten umgrub, trug sie den Ring nicht, er hätte ihn nehmen können. Ihr Herz machte einen Sprung, klopfte hart, ihr Atem ging unregelmäßig. »Ich hab deine Vollmacht mitgenommen«, hatte er gesagt. Hatte er nicht nur die, sondern auch den Ring genommen? Der Stein glitzerte in der Hand des alten Juweliers. War das Glitzern echt? Die Zeit dehnte sich, die Straßengeräusche, die durch das offene Fenster drangen, wichen zurück, ein Dröhnen baute sich in ihren Ohren auf, Lichtflecken erschienen vor ihren Augen.
Aber dann nickte der alte Mann, und sie musste sich vor Erleichterung hinsetzen. Schnell wurden sie sich handelseinig, auch was den Zirkon betraf. »Das mache ich Ihnen umsonst. Grüßen Sie die schöne, anbetungswürdige Tita von mir«, lächelte er schelmisch und sah ganz und gar nicht mehr alt aus. In ihrem Beisein wies der Juwelier telefonisch seine Bank an, den vereinbarten Betrag auf ihr Konto zu überweisen.
Als sie draußen auf der Straße stand, wusste sie, dass sie und Inqaba finanziell überleben würden, konnte sich kaum beherrschen. Sie lief die Straße hinunter, wirbelte durch die vom Verkehr widerhallenden Häuserschluchten wie ein Papierfetzen im Wind, über die Promenade am Ende der Weststreet, hinunter auf den Strand. Dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie schrie, lachte, tanzte, bis sie kaum noch Luft bekam. »Ist das Leben nicht toll?«, rief sie ein paar jungen Schwarzen zu, die grinsten und winkten und sie vermutlich für völlig übergeschnappt hielten.
Sie sang den ganzen Rückweg, war vollkommen heiser, als sie auf Inqaba ankam. Wäre ihr bei ihrer Ankunft Leon begegnet oder Popi, sie hätte sie mit ihrer schieren Lebenskraft hinweggefegt. Aber niemand wartete auf sie. Bevor sie ins Haus ging, suchte sie Nelly, konnte sie nicht finden, erwischte aber Bongi. »Wo ist Nelly?«, fragte sie .
»Heute nicht da.« Bongi sah auf ihre Füße.
»Ist sie krank?«
Ein stummes Kopfschütteln. Mit dem Zeh malte Bongi Kreise in den Sand, schubste eine Ameise zurück, die versuchte, über die Linien zu krabbeln. Jill erlöste sie von dem offensichtlichen Dilemma, ihr die Wahrheit sagen zu müssen, aber Nelly gegenüber nicht unloyal zu sein. »Es ist gut, Bongi. Sonst alles in Ordnung?«
»Ja, Ma’m, alles in Ordnung.« Bongi zeigte ihre prächtigen, schneeweißen Zähne in einem erleichterten Lächeln und stob davon.
Jill beschloss, Nelly zur Rede zu stellen. Noch war sie hier angestellt, noch hatte sie regelmäßig zu erscheinen. Mit einem Unmutslaut trat sie einen Kiesel über den Hof. Sie würde der alten Zulu schon beibringen, dass man ihr nicht einfach so auf der Nase herumtanzen konnte. Dann ging sie in ihr Arbeitszimmer, zog einen Stapel Rechnungen aus der Schreibtischschublade und schrieb die Überweisungen aus. Selten hatte ihr etwas so tiefe Befriedigung beschert. Als sie ihre letzte Unterschrift geleistet hatte, war der Stapel auf Normalgröße geschrumpft. Sie blätterte die Rechnungen noch einmal durch. Keine Mahnung mehr dazwischen. Aufseufzend legte sie alles zurück in die
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