Ein Land, das Himmel heißt
säumte, stieg die Würze von regenfrischem Grün, mischte sich mit dem betörendem Duft von Gardenien und feuchtem Holzgeruch. Die Sonne sank hinter die Hügel, ihre Strahlen, die wie ein Heiligenschein über den Kuppen standen, verwandelten den aufsteigenden Abenddunst in Goldgespinst, und pflaumenfarbene Schatten verfingen sich wie Spinnweben in den Zweigen der Bäume. Über allem schwebte die herzzerreißend schöne Melodie des Adagio von Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur. Wie klingende Tropfen fielen die klaren Töne in die Stille, wurden vom sanften Wind verteilt, bis die Luft um sie zu singen schien, und sie wünschte sich Flügel, wünschte sich inbrünstig, ihre Erdenschwere abzuschütteln.
Martin schlenderte aus dem Haus auf die Terrasse. »Gleich kommt Denys Finch-Hatton um die Ecke«, scherzte er und küsste sie auf den Nacken, ließ seine Hände über ihre Schultern nach unten wandern. »Hast du eine Geschichte, die du ihm erzählen kannst?«
Sie fuhr zusammen, lachte dann leise und fing zärtlich seine Hände ein, legte seine Fingerkuppen an ihre Lippen. Sie nahm ihm die Anspielung nicht übel. Als Architekt glaubte er an gerade Linien, präzise Kanten, drei Dimensionen. Mit einer automatischen Geste strich sie ihm die dunkelblonden, gewellten Haare zurück, denn sie waren fein und weich und hingen ihm immer ins Gesicht.
Er zog einen Stuhl heran und setzte sich. »Bist du sicher, dass du dich nicht nur in meine Zeit verirrt hast?«, flüsterte er.
»Du meinst, wenn du mich berührst, zerfalle ich zu Staub oder löse mich auf wie ein galaktischer Nebel?«, gurrte sie. »Versuch’s doch.«
Er zwickte sie, sie quietschte, und als sie ihre Umgebung wieder wahrnahm, war die Sonne untergegangen. Der Heiligenschein über den Hügeln glühte noch einmal auf, tauchte die Welt um sie herum für Sekunden in Gold, verwandelte die Silberreiher in ihrem Nistbaum in feurige Märchenwesen. Dann erlosch das Sonnenfeuer allmählich, und der Busch erwachte zum Leben. Nachtäffchen huschten wie Schemen durch das Geäst, Fledermäuse jagten lautlos. Ein schrilles Quieken, aufgeregtes Grunzen ließ den Leitbock einer Springbockherde aufmerken. Es knackte wild im Unterholz, und eine Warzenschweinfamilie trottete zum Abendtrunk. Die Springböcke traten aus dem Schatten der niedrigen Palmen, zogen äsend über die Lichtung, die Blessen weiß, die Rücken goldbraun im Glanz des aufgehenden Mondes. »… Afrika«, sagte sie, und sie sagte es so, als beschriebe sie ein Wunder, »ich könnte nie woanders als auf unserer Farm leben. Ich würde eingehen wie eine Pflanze, der man die Wurzeln abreißt …« Sie verschränkte ihre Arme auf dem Geländer, der schenkelkurze Rock ihres weißen Baumwollkleides rutschte hoch, zeigte lange, braun gebrannte Beine in goldenen Sandalen.
»Ich habe meinen ersten Auftrag«, verkündete er unvermittelt.
Heureka, jubilierte sie innerlich, der Reeder hat endlich angebissen, Titas Anruf bei der Gattin hatte offenbar Erfolg gehabt. »Wunderbar, dass es endlich geklappt hat«, sagte sie laut, »ich bin so stolz auf dich. Was, wann und vor allen Dingen wie viel?«
»Ein Umbau in Westville, ein großes altes Haus, sie wollen es sanieren und einen Trakt anbauen. Wenn es ihnen gefällt, bekomme ich den Auftrag für ein kleines Einkaufszentrum.« Er sah sie nicht an.
Sie merkte es. »Was ist mit dem Reeder?«, fragte sie vorsichtig.
»Noch nicht entschieden.« Ein rascher Blick aus den Augenwinkeln.
»Da ist noch etwas, nicht wahr?«
»Ist es«, gab er zu, »wir müssten umziehen.« Als sie jäh hochfuhr, stoppte er sie mit erhobener Hand. »Hör mir bitte zu. Nach Westville brauche ich mindestens zwei Stunden im Morgenverkehr. Wir werden also nach Durban ziehen müssen.«
»Das ist nicht dein Ernst! Vergiss es, ich ziehe nie nach Durban. Stell dir nur vor, wir hätten dann Nachbarn. Entsetzlicher Gedanke. Du kennst doch den alten Burenspruch? Wenn du den Rauch deines Nachbarn am Horizont siehst, ist es Zeit weiterzuziehen. Du kannst doch sicher auch Aufträge in der Nähe bekommen.«
Die Falten um seine heruntergezogenen Mundwinkel saßen wie eine weiße Klammer. »In unserer Familie richtet man sich nach dem Beruf des Mannes. Ich soll schließlich die Brötchen verdienen.«
Warum klang er bloß immer so schrecklich pompös? »Mein Schatz, ich hab genug Geld für uns beide, außerdem ist deine Einstellung im Jahre 1989 wirklich nicht mehr zeitgemäß.«
»Du kannst doch nicht ewig hier
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