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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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los, und weil er ebenso stur ist wie ein Nashorn, walzt er alles auf seinem Weg platt.«
    Sie musste lachen. Mit Schwung setzte sie sich auf seinen Schoß, schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn ausgiebig. »Weißt du, dass du grüne Pünktchen in deinen grauen Augen hast, wie Smaragdgefunkel?« Leons Abbild verblasste, der Reeder, das Einkaufszentrum und der Umzug waren vergessen, und für ein paar Minuten war nur der eintönige Gesang der Baumfrösche zu hören. »Willst du die Familie, in die du einheiratest, einmal richtig kennen lernen?«, fragte sie nach einer Weile. »Dann komm, ich zeig dir etwas.« Sie zog ihn zum Haus und stieß die Fliegentür zum Wohnzimmer auf. Ihre Sandalen machten Schmatzgeräusche auf dem Fliesenboden, mehrere Stehlampen tauchten den Raum in sanftes Licht, vergoldeten das Holz eines prächtigen alten Aufsatzschrankes und der hochlehnigen Stühle rechts und links davon, spiegelten sich in zahlreichen Aquarellen und Ölbildern. Lichtreflexe lagen über zierlichen Tischchen mit geschwungenen Beinen, blinkten auf unzähligen silbergerahmten Fotos, hoben die frei liegenden Balken der hohen Decke heraus. Vier weich gepolsterte Sessel standen um einen Couchtisch, dessen dicke, grünliche Glasplatte auf einer polierten Baumwurzel ruhte. Auf dem Tisch und dem Boden stapelten sich Bücher, Zeitschriften, Aktenordner, lose Notizen zu einem unordentlichen Haufen.
    »Daddys Kram, offenbar sucht er etwas«, bemerkte sie und führte ihn ins Esszimmer, das zusammen mit dem Wohnzimmer die Breite der Terrasse einnahm. Ein großer, schwerer Esstisch, die zentimeterdicke Platte aus hellem, zu schimmerndem Glanz gewachsten Holz stand in der Mitte, acht oder zehn Stühle, von denen keiner dem anderen glich, gruppierten sich um ihn. Auch hier sammelten sich auf der dunkel gebeizten Anrichte, die aus einer anderen Epoche stammte als der Tisch, allerlei Figürchen und Bilder. Es waren bequeme, angenehme, ein wenig angestaubt wirkende Räume, die zeitlose Ruhe ausstrahlten, und jeder, der in diesem Haus gelebt hatte, hatte offensichtlich etwas dazu beigetragen.
    »Da sind wir, im Herzen von Inqaba«, sagte sie und öffnete eine Seitentür. »Um diesen Raum hat Johann Steinach das Haus gebaut.« Dieser Raum war dunkel, hatte als einziger im Haus keine Fliesen, sondern einen Holzboden, Bücherregale bedeckten drei der Wände bis unter die Deckenbalken, selbst die schmale Glastür, durch die weiße Mondstrahlen flimmerten, war von Büchern umrahmt. Jill schaltete eine Stehlampe ein. In dem weichen Licht wirkte die vierte Wand wie ein aufgeschlagenes Bilderbuch. Dicht an dicht hingen Ölgemälde, die das Leben in Zululand vor über hundert Jahren zeigten, superbe Aquarelle von Vögeln und Schmetterlingen, sepiabraune Fotos von Männern und Frauen in der Kleidung des neunzehnten Jahrhunderts. Es roch süßlich, nach Staub und den alten Lederbuchrücken, die in der Feuchtigkeit des afrikanischen Sommers Schimmelflecken bekommen hatten, darüber lag der Honigduft der gewachsten Holzdielen.
    Martin sah sich um, betrachtete dann eines der verfleckten Fotos aus der Nähe. Es zeigte eine junge, schlanke Frau in einem vom Wind geblähten hellen Gewand, die ihre dunklen Haare zu einem schweren Knoten im Nacken geschlungen hatte. Sie stand auf einer Anhöhe, zu ihren Füßen erstreckte sich üppiges Land, Wasser glänzte zwischen Ried und Palmen. Mit großen, ernsten Augen schaute sie in die Kamera. »Welch eine schöne Frau. Sie sieht dir unglaublich ähnlich, ihr habt die gleichen Augen. Wer war sie?«
    Sie wandte sich vom Bücherregal ab und warf einen Blick auf das Bild. »Catherine Steinach, meine Urururgroßmutter«, lächelte sie, »kannst du die Umgebung erkennen? Sie steht dort, wo sich heute unser Bungalow befindet. Es heißt, dass Johann Steinach seine Frau auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Ist das nicht schrecklich romantisch?« Sie strich ihre glänzenden dunklen Haare zurück. »Sie hatte dunkelblaue Augen wie ich und die gleiche Haarfarbe. Es gibt einen Briefumschlag mit einer Locke von ihr.«
    »Ein Engelsgesicht …«, zärtlich legte er seine Hände um ihr Gesicht, »… unverschämte Augen allerdings – unwiderstehlich.« Er küsste sie und lachte, als sie ihn anfunkelte. Neugierig überflog er dann die Buchtitel. »Das müssen ja Hunderte von Büchern sein.« Er nahm eines heraus, blätterte es auf. »Hast du sie alle gelesen?« Sein Ton machte deutlich, dass er

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