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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Zanele.
    Nelly schrubbte einen Topf.
    »Wenn ich Popi und Thandi Kunene eine Nachricht zukommen lassen will«, fuhr Jill fort, ihre Worte sorgfältig wählend, »wem kann ich da Bescheid sagen, Nelly?«
    Nelly spülte den Topf ab, drehte ihr dabei den Rücken zu. Fast eine Minute lang war nur das Rauschen des Wasserstrahls und das Klappern des Topfes zu hören. »Weiß nicht«, antwortete die Zulu dann.
    »Ich will ihnen klar machen, dass mich niemand von Inqaba verjagen wird. Ich lasse mich nicht einschüchtern, auch nicht von dem, was den Farringtons passiert ist. Es macht mich sehr wütend, und von jetzt an werde ich eine Waffe tragen. Wenn sie Krieg wollen, dann muss es so sein. Wem könnte ich das sagen, damit er es weitergibt und Popi und Thandi auch mitteilt, dass ich sie sprechen will? Morgen Vormittag hier im Haus.« Am helllichten Tag auf sicherem Terrain.
    Nellys Gesicht war zu der sattsam bekannten undurchdringlichen Maske erstarrt. Ein kurzer Blick unter gesenkten Wimpern streifte sie. »Weiß nicht«, sagte ihre alte Nanny, »Mehl ist alle.«
    Zufrieden schloss sie die Tür hinter sich und ging zurück zu Irma. Nelly hatte sehr wohl verstanden. Die Nachricht würde die Kunene-Zwillinge erreichen, über welche Wege, wusste sie nicht, wollte sie auch nicht so genau wissen. Am Tisch angekommen, an dem Irma bereits wieder in einem der Hefte las, die Catherines spinnenfeine, gekreuzte Schrift zeigten, setzte sie das Tablett ab. Die Flaschen waren beschlagen, Nässe leckte am Glas herunter, bildetete eine Pfütze. »Orangensaft mit Wodka, wie immer?«, fragte sie Irma, goss sich selbst aber reinen Orangensaft ein.
    Sie trank ein paar Schlucke. »Dein Vorschlag mit dem Auslauf für die Hunde ist gut, und dein Angebot, die Kosten zu übernehmen, finde ich wunderbar, und ich würde es gern annehmen. Allerdings ist es zwecklos, den Laufzwinger den gesamten Zaun entlang zu bauen. Dann bräuchten wir ein ganzes Rudel Hunde.« Von ihrer Nachricht an die Kunene-Zwillinge sagte sie nichts.
    »Wir müssen den Zaun näher am Haus ziehen und ihn elektrisch laden«, Irma leerte ihr Glas schnell, warf ihr einen blitzblauen Blick zu, »das hält sie wenigstens auf. Langsam müssen wir uns ducken, die Einschläge kommen näher.«
    Abwehrend schüttelte Jill den Kopf. »Was hat das Angelica gebracht? Es hat keinen Unterschied gemacht.« Gewaltsam schob sie die Vorstellung weg, was Angelica gesehen haben musste, als sie die ersten Kugeln trafen. Noch viel tiefer hatte sie die Erkenntnis vergraben, dass der Anruf von Patrick nur eine Dreiviertelstunde nach ihrem Abschied von Angelica bei ihr einging. Vermutlich hatten die Killer bereits im Schatten des Hauses gewartet, als sie und Nils ihre Freundin verließen. Dabei fiel ihr ein, dass sie Alastair noch fragen wollte, wie sie den Elektrozaun überwunden hatten.
    »Jill, wir müssen realistisch sein. Inqaba ist nicht mehr das, was das Wort bedeutet, unsere Zuflucht. Wir sind zwei Frauen und allein. Die Gäste, die wir beherbergen, sind kein Schutz, eher eine Gefahr. Durch sie sind wir erpressbar. Wir sitzen wie zwei Kanarienvögel im Käfig, vor dem ein Rudel hungriger Raubkatzen herumschleicht, und die Käfigstäbe sind angesägt. Über kurz oder lang kriegen die uns!«
    »Nein«, rief Jill, dabei rutschte ihre Stimme aus. Nein, nein, nein, schrie sie innerlich, ich will nicht ins Gefängnis. Ich will nicht.
    Irma legte Catherines Tagebuch langsam auf den Tisch, markierte die Stelle, wo sie gelesen hatte, und schlug es dann zu. »Dann muss ich dir sagen, dass ich die Farm verlassen werde. Ich will nicht eines Tages mit ansehen müssen, wie du niedergemetzelt wirst.« Die Hand, die auf dem zugeschlagenen Heft lag, bebte.
    »Du kannst mich doch nicht allein lassen.« Jill geriet in Panik.
    Irma sah auf ihre Hände, ihr Gesicht war bleich. Dann stand sie auf. Der Stuhl schurrte über den Holzboden. »Du bist alles, was ich habe. Ich kann die Angst, dass dir etwas passiert, nicht ertragen. Wenn du deine Meinung geändert hast, ruf mich an. Ich bin in Kapstadt.« Sie nahm die Tagebücher und verließ die Terrasse. Ihr Rücken war steif, ihre Bewegungen hölzern, sie hielt den Kopf gesenkt.
    Jill war unfähig zu reagieren, wartete, dass sie sich umdrehte. Sie tat es nicht. Erst als der Motor von Irmas Auto ansprang, fiel die Lähmung ab, sie hastete hinterher. »Warte!«, schrie sie dem Wagen nach, aber er verschwand, ohne anzuhalten, um die Biegung.
    Ihre Tante hatte sie verlassen.

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