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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Jetzt war sie wirklich allein.
    *
    Angelica erholte sich langsam. Jeden zweiten Tag besuchte Jill sie, wechselte sich mit Lina ab, die an den anderen Tagen zum Krankenhaus fuhr. Mehr als einmal traf sie Tita Robertson dort, beladen mit Geschenken für die Kinder. Heute, am Mittwoch, vier Tage nach dem Überfall, erwartete sie ihre Freundin, gestützt von Kissen, im Bett sitzend. Sie sah jämmerlich aus, ihre Knochen standen spitz hervor, ihre Haut war gelblich fahl, dunkle Schatten lagen um ihre Augen. Aber sie brachte schon wieder ihr altes, alle Unbill überwindendes Lächeln zustande. Kurz nach dem Mittagessen, das bei Angelica aus einem weiteren Tropf und dünnem Tee bestand, kam Alastair, begleitet von Marius.
    Nach einer eingehenden Untersuchung zeigte dieser sich mit seiner Patientin zufrieden. »Sie ist zäh wie eine Katze mit neun Leben, aber ein paar hat sie jetzt aufgebraucht. Eine der Kugeln hat das Herz nur knapp verfehlt.«
    Alastair hatte seinen Stuhl nahe an das Bett seiner Frau gezogen, hielt ihre Hand. »Den Kindern geht es besser, die Wunden waren nur Fleischwunden, kein Knochen ist verletzt. Michaela und Vicky sind völlig unverletzt.«
    »Nur die Wunden auf ihrer Seele werden nie vernarben«, flüsterte seine Frau und sank müde in die Kissen zurück.
    Jill verabschiedete sich rasch, denn sie konnte sehen, wie sehr es ihre Freundin anstrengte, Besuch zu haben. »Kann ich dich kurz etwas fragen – draußen?«, flüsterte sie Alastair zu.
    »Wie sind die Kerle nur über euren Elektrozaun gekommen?«, platzte sie heraus, kaum dass er die Tür hinter sich zugezogen hatte, »der hat doch Kontaktmelder. Ist der Alarm nicht losgegangen?«
    »Jemand hat sie hereingelassen, noch habe ich nicht herausbekommen, wer das war«, der Ausdruck auf seinem Gesicht machte deutlich, dass derjenige sich besser nicht erwischen lassen sollte. »Ich hatte für diese eine Nacht, die ich abwesend war, einen Nachtwächter vom Sicherheitsdienst engagiert. Den hat man bewusstlos in den Büschen neben dem Tor gefunden.«
    Stockend berichtete sie ihm von dem Streit mit Irma. »Mir ist, als ob ich eingemauert werden soll.«
    Er sah sie an. Eine schwere Traurigkeit ging von ihm aus. »Ich kenne das Gefühl, es ist der Preis, den wir zahlen müssen. Irma hat Recht. Ich wollte ohnehin mit dir reden. Wir haben eine Art Bürgerwehr gebildet, sind alle untereinander mit Funk verbunden, melden uns regelmäßig, und wenn ein Alarm kommt, sperren wir die Straßen ab und so weiter. Du solltest mitmachen.«
    Sie versprach, sich bei ihm zu melden, um die Einzelheiten zu erfahren. »Da gibt es noch etwas.« Sie erzählte ihm von dem Stein, der Sekunden vor Patricks Anruf auf ihre Veranda geworfen wurde. »Habt ihr schon die Namen der Killer? Ich glaube, dass Popi Kunene, der Rattenfänger, dahintersteckt.«
    Langsam schüttelte er den Kopf. »Das ist nicht sicher. Meine Freunde von der Farmervereinigung und die vom Sicherheitsdienst haben sofort die Straßen gesperrt, aber sie kamen wohl zu spät, und die Polizei hat überhaupt noch keine Hinweise.«
    »Was wird nun?« Sie blickte über seine Schulter durch das Fenster der Intensivstation auf Angelica, die mit geschlossenen Augen, gespenstisch bleich in ihrem Kissen lag, nur ganz flach atmete, weil der Drainageschlauch noch immer in ihrer Lunge steckte.
    Für einen Moment schloss er die Augen, sah er so unendlich müde und kaputt aus, dass sie ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. »Ich werde sie nach Kapstadt bringen, die Kinder natürlich auch. Unsere Familie wird sich um sie kümmern.«
    »Und du?« Bevor sie die Frage ausgesprochen hatte, wusste sie die Antwort.
    »Und ich?«, er brachte ein Lächeln fertig. »Ich bleibe hier. Was soll ich sonst machen, genau wie deine lebt meine Familie seit sechs Generationen in Zululand. Wer mich von meinem Land verjagen will, muss mich mit den Füßen voran wegtragen.« Er küsste sie auf die Wange. Dann schlüpfte er leise in das Krankenzimmer seiner Frau, zog den Stuhl heran, nahm ihre Hand in seine und wachte über ihren Schlaf. Im abgedunkelten Licht des Raumes schienen die beiden in einer Welt für sich zu existieren.
    Sein letzter Satz verfolgte Jill auf der Fahrt nach Hause. Wer mich von meinem Land verjagen will, muss mich mit den Füßen voran wegtragen. Das, dachte sie, war eine ziemlich wahrscheinliche Möglichkeit. Seit der Unabhängigkeit waren über fünfhundert weiße Farmer ermordet worden, das ergab eine Zahl von drei pro

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