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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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er sah gut aus, und, was das Wichtigste war, er wollte arbeiten. Und er war Jonas, Nellys Enkel, sie kannte ihn seit seiner Geburt. »Als Ingenieur kann ich dich nicht einstellen …« Sie erklärte ihm, was sie ihm anbieten konnte.
    Er wippte begeistert auf den Fußspitzen. »Ich werde einen wunderbaren Tresen bauen, hier und hier«, er klopfte die Wand ab, »können wir ihn befestigen.« Er lieh sich von ihr Bleistift und Papier, warf eine Konstruktion für einen Tresen aufs Blatt, die einer Brücke nicht unähnlich war, aber es gefiel ihr. Im Handumdrehen hatte er ihr die Kosten ausgerechnet. Jetzt stand er da, strahlte sie an und wartete.
    »Komm«, sagte sie, ging ihm voraus ins Büro. Sie gab ihm eine Adresse. »Hast du einen Führerschein?« Als er nickte, händigte sie ihm den Schlüssel zu dem kleineren Geländewagen aus. »Fahr zu dieser Firma, kauf ein, was du für diesen Tresen brauchst, und sag ihnen, sie sollen mir die Rechnung schicken.« Die Firma, von der sie alle ihre Materialien für das Haus bezog, hatte von dem Erlös ihres Diamanten eine respektable Summe bekommen. Es stand nur noch eine Rechnung offen. Sie würden keine Schwierigkeiten machen.
    Mit seiner Zeichnung unter dem Arm lief Jonas hinaus zum Wagen. Durchs Fenster konnte sie ihn sehen. Er strahlte Energie und Unternehmungslust aus, grüßte zwei Gäste mit ausgesuchter Höflichkeit. Mit aufkeimender Hoffnung im Herzen, endlich Hilfe zu bekommen, erledigte sie den Rest ihrer Arbeiten.
    *
    Als sie am nächsten Morgen die Augen öffnete, war es erst kurz nach fünf Uhr. Nicht einmal die Hadidahs hatten sich gemeldet. Einen Moment blieb sie liegen, versuchte zu analysieren, warum dieser dumpfe Klumpen in ihrem Magen brannte, dieses ungute Gefühl, das nervöse Stiche ihre Nerven entlangjagte. Es war nichts, was sie gehört hatte. Die Geräusche waren die eines Sommermorgens. Tauben gurrten schläfrig, ein Hufschmiedvogel hämmerte wie ein Schmied ein Stück Eisen sein eintöniges Lied, Insekten sirrten. Es war auch nicht die Erinnerung an den Streit mit Irma, der drei Tage zurück lag. Erst als sie eine raue Stimme vernahm, die etwas in Zulu rief, wusste sie, woher ihr Unbehagen rührte.
    Popi und Thandi würden heute kommen, dessen war sie sich sicher. Nelly hatte zu eindeutig reagiert. Nun, sie würde vorbereitet sein. Energisch schluckte sie den Klumpen herunter. Eine halbe Stunde später war sie geduscht und angezogen und ging in die Küche, um sich Kaffee und ein Honigbrötchen zu holen. Keiner ihrer Gäste war zu sehen, und einem Impuls folgend, ging sie, den Kaffeebecher in der einen, das Brötchen in der anderen Hand, in den Küchengarten und setzte sich auf die Steinmauer. Kauend dachte sie nach über das, was sie ihren ehemaligen Kindheitsfreunden sagen würde.
    Das mit den Zehen natürlich. Als Erstes. Das würde ihr große Genugtuung bereiten. Dann waren da noch der Steinwurf und der Überfall auf Angelica. Zum Schluss würde sie ihnen unmissverständlich klar machen, wem Inqaba gehörte. Das würde die Sache dann erledigen. Mitten in ihren Überlegungen fiel ihr siedend heiß ein, dass sie vergessen hatte, Nelly zu sagen, wo sie Popi und Thandi sprechen wollte, nämlich in ihrem Büro. Sie gedachte auf dem hohen Lehnsessel hinter dem Schreibtisch zu sitzen, und die beiden sollten vor ihr auf dem niedrigen Sofa Platz nehmen. Das würde die richtige Perspektive ergeben. So hatte sie sich das vorgestellt.
    Komm in meinen Salon, sagte die Spinne zur Fliege und lächelte süß. Sie würde die Spinne sein.
    Sie leerte ihren Kaffeebecher und sah auf die Uhr. Kurz nach sechs. Schwere Regenwolken hingen über dem Tal, es war trotz der frühen Stunde drückend heiß, und ihr lief das Wasser unter dem kurzärmeligen Oberteil in den Bund ihrer Shorts. Sie lehnte sich so weit auf der Mauer zurück wie möglich, bis sie gerade eine Ecke des Bungalows erkennen konnte. Die Vorhänge waren geschlossen. Nils schlief also noch. Sie hatte ihn seit gestern Morgen nicht mehr gesehen. Mit Axel war er so spät von einem seiner Ausflüge zurückgekommen, dass sie schon geschlafen hatte. Nur im Unterbewusstsein hatte sie das Knirschen der Reifen auf dem Hof vernommen. Sie war kurz hochgeschreckt, hörte seine Stimme, lächelte und schlief beruhigt wieder ein.
    In den letzten Tagen war er viel unterwegs gewesen. Sie hatte den Eindruck, dass sich sein Projekt dem Ende näherte, was bedeutete, dass er bald abreisen würde. Wohin, hatte sie sich noch nicht

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