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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Ihre grausigen grünen Glasaugen hatten Jill in ihren Kinderträumen heimgesucht.
    Dorothea Steinach selbst entstammte einem der burischen Clans, die im November 1835 mit Louis Trigardt und zehn anderen Familien über den Great Fish River nach Norden zogen und sich 1839 in Port Natal niederließen. Ihre Gute-Nacht-Geschichten, die sie ihren Enkeln Jill und Tommy erzählte, handelten von harten Männern und entschlossenen Frauen, die ihre Kinder in schaukelnden Planwagen oder während der Arbeit auf dem Feld bekamen und im Krieg gegen die schwarzen Wilden neben ihren Männern in der Wagenburg knieten und die Gewehre nachluden. Das waren die Kriterien ihres Urteils über andere Menschen.
    »Afrika wird versuchen, euch zu vernichten. Ihr müsst hart sein«, bemerkte die resolute alte Dame häufig. Sie sorgte dafür, dass Thomas und Jill reiten und schießen lernten, und holte sie nachts aus dem Bett, wenn eine der Kühe kalbte. »In deinen Adern fließt Burenblut, Jill, das verpflichtet, denk immer daran. Die Frauen von Inqaba sind stark.«
    Unbewusst ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Großmutter Steinach hatte Recht. Sie war stark, nie würde sie sich einem Schicksal beugen, das sie von Inqaba vertreiben wollte. Das Geschrei der Treiber riss sie aus der Vergangenheit. Sie musste ihre Gäste warnen, dass ein Loch, durch das Oskar sich durchzwängen konnte, ein riesiges Tor für Löwen war, und dass auch Elefanten dort hindurchspazieren könnten. Sie sagte es ihnen.
    »Nein, das ist ja toll, meine Güte, David, hast du genug Filme da?«, rief Lizzie, aufs Höchste aufgeregt.
    »Was ich damit meinte«, sah sie sich genötigt zu erklären, »ist, dass Sie bitte das Haus nur im Auto verlassen. Zu Fuß ist es schlicht zu gefährlich. Die Wanderungen müssen so lange ausfallen, bis wir das Loch repariert und die Gegend durchkämmt haben, um sicher zu sein, dass sich keine Raubtiere hier herumtreiben. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn die Gefahr vorüber ist.«
    »Hmhm«, machte David, schaute abenteuerlustig drein, und sie hatte den deutlichen Eindruck, dass er sich sicherlich nicht an ihre Warnung halten würde.
    Mit einem Schulterzucken ging sie zu Nils, setzte sich wieder zu ihm. »Ich rufe jetzt einen Zwinger in der Nähe an, der für seine gut ausgebildeten Hunde bekannt ist. Kommst du mit?« Für einen kurzen Augenblick hielt sie inne, merkte, dass sie eigentlich nur wie ein Roboter funktionierte. Alles lief automatisch ab. Sie fühlte diese seltsame Leere in sich, fast wie eine Taubheit, die so weit ging, dass sie selbst Nils’ Berührungen nur abgeschwächt spürte. Außerdem war sie unendlich müde. Abwesend goss sie sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Sie musste durchhalten. Nur noch ein paar Tage. Irgendetwas sagte ihr, dass es bald vorbei sein würde, und dann würde sie es wissen. Wem Inqaba zukünftig gehörte.
    Sie sah hinauf in den brennend blauen Himmel, nahm alle Gerüche, alle Geräusche in sich auf, die sie mit Inqaba verband, alle Gefühle, die es hervorrief, alle Erinnerungen, die es barg. Die Menschen, die hier einmal gelebt hatten, standen vor ihr, alle, bis zurück zu Catherine und Johann. Es konnte nur eine Entscheidung geben, nur mit einer konnte sie weiterleben. Ich muss es machen wie Oskar, dachte sie, Kopf runter und durch. Sie stand auf. »Ich fahre gleich los, kommst du?« Mit langen Schritten überquerte sie vor Nils die Terrasse, dachte daran, dass sie ihr Versprechen, das sie ihm gegeben hatte, nicht halten würde. Sie hatte keine Zeit, zu warten. Vom Büro aus rief sie den Zwinger an und dann Alastair. Sie schilderte ihm ihre Gründe und ihr Dilemma. »Kennst du einen guten Sicherheitsdienst, ich meine, außer dem, den dieser Pienaar leitet?«
    Alastair meinte, von einem weiteren gehört zu haben, versprach, sich darum zu kümmern »Ich rufe dich heute Nachmittag an. Ich soll dich von Angelica grüßen. Sie möchte dich in den Arm nehmen und drücken, und du sollst die Ohren steif halten.«
    Kurz darauf saß sie im Auto. Bevor Nils einstieg, rüttelte er misstrauisch an dem Gitter, das den hinteren Teil von der Fahrerkabine trennte. Dort würde sie die Hunde einladen. »Wie ich sehe, stellst du sicher, dass uns die Köter nicht auffressen können.« Er machte sich keine Mühe, seine Erleichterung zu verbergen. »Kannst du mich in diesem Einkaufszentrum, der La Lucia Mall, absetzen? Ich werde in der Zwischenzeit meine Kleidung aufstocken. Glücklicherweise sind die Läden auch

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