Ein Land, das Himmel heißt
sich, goss sich ein halbes Wasserglas voll Whisky ein und trank es hinunter. Es half nicht, wie sollte es auch. Ihr Herz war herausgeschnitten worden, der Schmerz würde nie nachlassen. Verzweifelt lief sie aus dem Haus, wusste nicht, wie sie das überleben sollte. Ziellos rannte sie den Weg entlang und fand sich plötzlich in Catherines Küchengarten wieder. Er stand in voller Blüte. Bienen umsummten Basilikum, Koriander und Rosmarin. Doch sie sah nur flüchtig hin. In der wassergefüllten Kehle einer becherförmigen, goldenen Kürbisblüte badete ein gelber Kapfink, und unter den Guavenbäumen, deren fruchtbeladene Zweige sich bis auf die Erde bogen, saßen Dutzende schimmernder Schmetterlinge, labten sich an den abgefallenen Früchten. Ab und zu flog einer taumelnd auf. Die Früchte waren gegoren, die Schmetterlinge stockbetrunken. Früher hätte sie das entzückt, heute bemerkte sie es kaum.
Sie setzte sich auf die kleine Steinmauer, dachte an das zurück, was sie in Axels Zimmer erfahren hatte. Entsetzt schreckte sie zurück, vor ihr schien ein schwarzes Loch zu gähnen, in dem es von Giftnattern wimmelte. Reglos saß sie da, nahm ihre Umgebung kaum wahr. Zu ihren Füßen lag der Steinkreis, in dessen Mitte sie mit Nils die beiden roten Perlen gepflanzt hatte. Aber das war vor so unendlich langer Zeit gewesen, dass sie sich das Bild nicht mehr ins Gedächtnis rufen konnte. Minutenlang starrte sie mit aufgerissenen Augen auf das kahle Fleckchen roter Erde, ohne etwas zu sehen. Bis Sterne vor ihren Augen tanzten. Sie blinzelte. Erst dann bemerkte sie zwei grüne Blättchen, die sich aus dem Boden gebohrt hatten, herzförmige Blättchen. Die von Korallenbaumsämlingen.
Mit einem Ruck beugte sie sich vor, wollte sie ausreißen, aber in letzter Sekunde ließ sie ihre Hand sinken. Warum, konnte sie sich nicht erklären. Einer der Steine aus dem Steinkreis war weit nach innen verschoben. Sie hob ihn auf, um ihn zurück in den Kreis zu legen. Unter dem Stein, von einer Plastikfolie umhüllt, lag ein zusammengefalteter Zettel.
Verwirrt zog sie den Zettel aus der Hülle hervor. Nach kurzem Zögern faltete sie ihn auf. Auf einen Blick erkannte sie, dass er von Nils stammte. Ihre Finger begannen zu zittern, ihr Herz schlug unregelmäßig. Mit tiefen Atemzügen suchte sie sich zu beruhigen.
Es stand nur ein Satz darauf. Ich liebe Dich.
Ein Schwarm trunkener Schmetterlinge flatterte vor ihr hoch, einer landete mit wippenden Flügeln auf ihrer Schulter. Sachte schob sie ihren Finger unter seine Beine, hob die Hand und ließ ihn fliegen. Blind vor Tränen stolperte sie im sinkenden Tageslicht zurück ins Haus, den Zettel in der Faust zerknüllt.
Vor dem Schlafengehen schluckte sie eine Schlaftablette. Nach kurzer Überlegung nahm sie eine weitere hinterher. Das Wasserglas noch in der Hand haltend, kippte sie den Rest der Pillen aus dem Tablettenröhrchen auf ihre Handfläche und sah sie an. Klein, weiß, glänzend. Sie setzte sich aufs Bett, dachte an das, was auf sie wartete. An die übermenschliche Anstrengung, Inqaba weiterzuführen, an die Kraft, die sie aufbringen musste, um sich Leon Bernitt und Popi vom Hals zu halten, und an die Einsamkeit. Als schaute sie durch das verkehrte Ende eines Fernglases, entfernte sich ihr Leben immer weiter von ihr. Sie zählte die Tabletten. Siebenundzwanzig. Genug. Sie hob die Hand zu ihren Lippen.
Ob es der Gedanke an Tommy war oder Christina, wusste sie später nicht mehr, aber plötzlich überfiel sie panische Angst. Wovor, darüber war sie sich selbst nicht klar. Wie von Furien gehetzt, rannte sie ins Badezimmer, warf sämtliche Tabletten ins Toilettenbecken und zog. Das Wasser rauschte, die Tabletten strudelten weg. Dann setzte sie sich auf das Becken und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Gedanken verschwammen, das Schlafmittel begann schnell zu wirken, sie hatte es auf nüchternen Magen genommen. Bleischwer schleppte sie sich ins Bett. Doch auch im Schlaf schmerzte der Fleck, wo einmal ihr Herz gesessen hatte, so unerträglich, dass sie ihn selbst in ihren wirren Träumen spürte.
19
C hristopher Williams stieg am nächsten Morgen punkt zehn Uhr aus dem Auto, und sie erschrak. Er sah unglaublich gut aus. Sie hatte einen Typ wie Len erwartet, einen verlebten, brutalen Mann, aber der, der jetzt auf sie zukam, war ein Gentleman. Äußerlich jedenfalls. Schlank, groß gewachsen, breitschultrig stand er vor ihr, sein heller Tropenanzug war von perfektem Schnitt. Fast
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