Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
und hetze ihn auf Popi, und wenn ich dafür Len Pienaar nehmen muss. Den elektrischen Zaun gebe ich noch heute in Auftrag. Außerdem werde ich mich erkundigen, wo ich abgerichtete Hunde bekomme, und da fahre ich heute am frühen Nachmittag hin. Willst du mich begleiten?« Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Bongi, die sich eilig durch die Tische schlängelte, in der Hand das Telefon. »Telefon, Ma’m. Jemand.«
    Sie nahm den Hörer entgegen. »Ja, bitte?«, sagte sie. »Wer spricht dort?« Eine männliche Stimme nannte einen Namen, den sie nicht verstand, nur dass er vom Umhlanga Rocks Hospital aus anrief und Arzt sei. Ihr Inneres krampfte sich zusammen. Oh nein, dachte sie, nicht auch noch Angelica. Es ging ihr doch schon viel besser.
    »… Angehörige von Irma Pickford?«, fragte dieser Arzt.
    Erst verstand sie nicht. Irma Pickford? Dann erinnerte sie sich. Es gab vor vielen, vielen Jahren einen Mr. Pickford, der zwei Jahre mit Irma verheiratet gewesen war. Angeblich war er an einer Fischvergiftung gestorben. Hinter vorgehaltener Hand jedoch erzählte man sich in der Familie, dass er bei einer, die keine Dame war, wie sich ihre Mutter ausdrückte, vor Überanstrengung einen Herzinfarkt erlitten hatte. Seitdem hatte sich Irma wieder Steinach genannt. »Ja«, sagte sie mit schwankender Stimme, »ich bin ihre Nichte. Wann wird ihre Leiche freigegeben, damit ich sie beerdigen kann?« Neben Mama und Christina würde sie jetzt ein weiteres Grab ausheben lassen müssen. Sie sah sich unter dem Tibouchina stehen, allein mit allen, die sie geliebt hatte. Für immer allein. Ihre Augen brannten. Sie schirmte ihr Gesicht mit den Händen ab, damit niemand sehen konnte, wie sie mit den Tränen kämpfte.
    »Leiche?«, die Stimme des Arztes klang erstaunt. »Mrs. Pickford ist nicht tot …« Danach sagte er noch ein paar Sätze, aber die hörte sie nicht.
    Ist nicht tot, hallte es in ihr, ist nicht tot. Ist nicht tot? Heiße Tränen stürzten ihr aus den Augen, sagen konnte sie nichts, ihre Stimme versagte.
    »Was ist?«, fragte Nils besorgt.
    »… noch kritischer Zustand«, hörte sie wieder die Stimme des Arztes, »wir haben sie in einen Heilschlaf versetzt. Die nächsten zwei Tage sind entscheidend. Sind Sie noch am Apparat, Mrs. Bernitt?«
    Hastig wischte sie sich mit einer Hand die Tränen vom Gesicht. »Ja, natürlich. Bitte, was ist mit ihr passiert, ich dachte, sie wäre tot … ich habe keinen Puls mehr gefühlt …«
    »Er war sehr schwach, als Laie fühlt man ihn dann häufig nicht. Wie ich schon sagte, ihre Verletzung ist schwer, aber die Kugel hat das Herz um einen Millimeter verpasst und beim Austritt ihren Oberarmknochen gebrochen. Ihr kommt zugute, dass sie eine Rossnatur hat.«
    »Jill, wer ist das?«, drängte Nils.
    »Irma hat eine Rossnatur«, schluchzte sie mit glückseligem Lächeln, »wann kann ich sie besuchen?«, fragte sie den Arzt.
    »Kommen Sie morgen vorbei, aber versprechen kann ich nichts«, antwortete der und legte dann auf.
    »Entschuldigung«, weinte sie mit lachendem Gesicht, »es ist nur, meine Tante Irma ist nicht tot … sie hat eine Rossnatur … sie wird es schaffen.« Dann warf sie sich Nils an den Hals, küsste ihn, schluchzte, lachte, wusste nicht, welcher Gefühlsregung sie als Erstes nachgeben sollte. Sie hatte laut gesprochen, die Mienen der anwesenden Gäste zeigten ihr deutlich, dass sie mitbekommen hatten, dass etwas Außergewöhnliches passiert war. Sie stand auf. »Ich möchte Ihnen sagen, dass meine Tante, Irma Steinach, wie durch ein Wunder überlebt hat – sie wird es schaffen. Ich möchte Sie alle auf ein Glas Champagner einladen, um auf die Gesundheit meiner Tante zu trinken. Bongi, bitte verteile die Gläser.«
    Sie holte den Champagner selbst. Als sie ihr Glas hob, standen alle auf, sie brachte einen Toast auf ihre Tante aus, und alle antworteten mit einem dreifachen Hurra. Der eiskalte Champagner rann ihre Kehle hinunter, schäumte ihre Adern entlang, stieg ihr in den Kopf. Sie fühlte sich leicht, schwerelos, und es war nicht nur der Champagner, der das verursachte. Es würde so schnell kein neues Grab auf Inqaba geben. Sie war nicht ganz allein. Sie setzte sich wieder, starrte wortlos hinaus auf ihr Land und dankte Gott.
    *
    Doch Afrika gewährt nur selten Zeit für Besinnlichkeit. Ein irres Kreischen zerriss die Stille des Augenblicks. Ihr Herz setzte vor Schreck fast aus. Sie sprang auf, starrte in die Richtung des Lärms. Der Busch war in Aufruhr. Eine

Weitere Kostenlose Bücher