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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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stören. Gegen sechs Uhr fiel sie in einen flachen, unruhigen Schlaf.
    Benommen und verkatert öffnete sie um acht die Augen, hatte Mühe, sich zurechtzufinden. Sie schleppte sich ins Badezimmer, stellte sich unter die kalte Dusche, bis sie nicht mehr schwankte. Sie erschrak, erkannte das Gesicht, das sie aus dem Spiegel anstarrte, nicht als ihr eigenes. Wahllos griff sie in den Schrank, erwischte Jeans und ein schwarzes T-Shirt und zog sich an. »Ich muss heute Angelica anrufen«, sagte sie zu Martin, »Lina, Tita und Neil – und Irma, natürlich«, murmelte sie, während sie die Seiten ihres Telefonbüchleins wendete. »Könntest du bitte Leon und Lorraine Bescheid sagen?«
    Martin war bereits fertig und band sich eben seine Docksides zu. »Natürlich. Was kann ich dir sonst noch abnehmen?«
    Hilflos hob sie ihre Schultern. »Ich weiß nicht, was zu tun ist … wir müssen die Hochzeit verschieben, ich kann jetzt nicht …«, Tränen verschlossen ihre Kehle, sie konnte nicht weitersprechen, fand kaum Luft zum Atmen. »Ich brauch Luft, ich muss hier raus …« Wie gehetzt, rannte sie hinaus.
    Erst fünfzig Meter weiter holte sie Martin ein. Er legte seine Arme um sie, drehte sie zu sich, zog ihren Kopf an seine Schulter und hielt sie, bis sie sich ausgeweint hatte. »Lass uns einen Spaziergang machen, es wird dir gut tun.«
    Ohne Ziel liefen sie durch den Garten, den gepflasterten Weg hinunter, am Swimming-Pool und dem Haupthaus vorbei, um den Küchentrakt herum und fanden sich im Küchengarten wieder. Kräuter wuchsen hier, Zwiebeln, Auberginen, Tomaten. Butterkürbisse mit Blättern, groß wie Essteller, wucherten gierig in alle Richtungen, überzogen die rote Erde mit gelben Trompetenblüten, und im sonnengefleckten Schatten zweier Guavenbäume gediehen Salatpflanzen.
    »Diesen Garten hat meine Urururgroßmutter Catherine ursprünglich angelegt«, erzählte sie, »die kleine Mauer dort hat sie selbst aus Steinen zusammengetragen, die sie hier gefunden hat. Alle Steinachs, durch 140 Jahre hindurch, haben den Garten erhalten.« Sie zog ihn hinüber zu einer Gruppe Bäume. Sie standen im Kreis, schienen von einem zentralen Fleck wegzustreben, so dass ihre ausladenden Kronen sich berührten und ein dichtes Dach bildeten. An knorrigen graubraunen Ästen trugen sie einige scharlachrote Blütenkrönchen zwischen herzförmigen, saftig grünen Blättern.
    »Die erkenne sogar ich«, meinte Martin, »Kaffirbäume.«
    Einer stand allein, ein alter, verwitterter Baum mit krustiger aschfarbener Borke. Zwei Meter über den Wurzeln teilte sich der Baum in zwei dicke Äste, die sich reich verzweigten, doch nur der eine Teil lebte noch, trug Blätter und ein paar Blüten. Sie berührte einen Zweig, prüfte mit ihrem Daumen die Schärfe der Dornen. »Hier muss der Baum gestanden haben, von dem man sagt, dass Catherine ihn gepflanzt hat. Dieser ist wohl aus den Früchten seiner Früchte gewachsen. Ich glaube, diese Bäume überdauern nicht Jahrhunderte wie die in Europa. Das Klima ist zu feucht, hier fault alles schnell, und die Termiten zerstören den Rest.« Sie bückte sich, hob eine schwarze Schote auf und öffnete sie. In ihrem Bett lagen, kostbar glänzend, die korallenroten Früchte des Kaffirbaums, jede mit einem tiefschwarzen Auge. Fünf Stück. Mit einem sanften Ruck leerte sie die Schote, und die fünf Samen rollten in ihre Hand, reihten sich darin auf.
    »Du könntest eine Kette daraus machen«, meinte er, »meine Mutter hatte früher auch eine.«
    »Nicht ganz ungefährlich. Man kann die Samen zwar verschlucken, ohne Schaden zu nehmen, doch wenn Schweiß die Schale anlöst, kann ihr Gift, dem Curare ähnliche Alkaloide, durch die Haut des Trägers dringen und ihn vergiften. Sie sind ein Sinnbild für Afrika, nicht wahr? Sie sind wunderschön, es wachsen herrliche Bäume aus den Früchten, und Nektarvögel trinken aus ihren Blüten, aber unter der Schönheit lauert Gefahr«, sagte sie, in Gedanken auf einmal in der sonnendurchfluteten Landschaft ihrer Kindheit.
    Fünf rote Perlen. Fünf Kinder. Tommy, Angelica, Jill, Popi und Thandi. Die Gang. Die Unzertrennlichen. Zu fünft waren sie durch den Busch gestreift, hatten unzählige Abenteuer miteinander erlebt, gehörten zusammen, als wären sie alle Geschwister. Thando, genannt Popi, und Thandile Kunene, die Zuluzwillinge, Angelica von der Nachbarfarm und Tommy und Jill. Die Früchte des Kaffirbaums. Da lagen sie auf ihrer Handfläche, leuchtend rot, schön,

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