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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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wärmen, hatte wahnsinnige Angst, dass sie diesen Schlag nicht überleben würde.
    Vielleicht kann Marius mir das mit Tommy erklären, überlegte sie, während sie dasaß. Auch er hatte ihn gut gekannt. Tommy, ihr großer Bruder, ihr Freund, der Held ihrer Kindheit und Jugend, mit dem sie alle Geheimnisse geteilt hatte. Immer war er mit seiner unerschütterlichen Kraft und Ruhe für sie da gewesen. Egal, ob sie sich von Daddy ungerecht behandelt fühlte, Sorgen in der Schule oder Liebeskummer hatte. In der Zeit, als sie den Armen Nellys entwachsen war und auch nicht mit Mama sprechen wollte, war Tom derjenige gewesen, dem sie alles anvertraute. Und sie hatte alles von ihm gewusst.
    Oder war das Bild, das sie von ihm zu kennen glaubte, eine Schablone gewesen, die sie sich im Geiste angefertigt und ihm übergestülpt hatte? War der wirkliche Tom dahinter verschwunden? Sie kaute lange an dieser Frage herum, fand keine Lösung. In dieser Nacht schlief keiner von ihnen, jeder versuchte für sich, mit dem Schock fertig zu werden.
    »Ich fühle mich hintergangen und betrogen«, gestand sie Martin, als sie endlich nebeneinander im Bett lagen. »Wie konnte er das nur tun? Warum hat er mir nichts davon gesagt?« Gleichzeitig schämte sie sich für ihre Worte, weil sie ihr als Verrat an ihrem Bruder vorkamen.
    »Sei froh, dass er dir nichts erzählt hat. Hätte er dich in diese Schweinerei mit hineingezogen, hätten die dich glatt als Sympathisantin oder Schlimmeres ins Gefängnis gesteckt. Immerhin hat dein Bruder versucht, unsere Regierung mit Waffengewalt zu stürzen. Er war ein Staatsfeind.« Martin spuckte dieses Wort wie etwas Ekelerregendes aus.
    Sie zuckte unter seinen Worten zusammen, konnte mit den widersprüchlichen Emotionen, die sie hervorriefen, nicht fertig werden. Sie fröstelte, zog die Beine an und rollte sich zur Seite, weg von ihm. Die Klimaanlage summte aufdringlich, während sie überlegte, was diesen unangenehmen, hartnäckigen Kloß in ihrem Magen verursachte. Als ihr endlich klar war, dass er von dem Klang des Wortes Staatsfeind aus Martins Mund herrührte, stellte sie erschüttert fest, dass sie über ein Hindernis in ihrer Beziehung gestolpert war, von dem sie nichts geahnt hatte. »Ich lass das nicht auf ihm und unserer Familie sitzen, ich werde herausfinden, was wirklich passiert ist«, sagte sie, immer noch mit dem Rücken zu ihm.
    »Das wirst du nicht, hörst du! Du ahnst nicht, worauf du dich da einlässt.« Er packte sie an den Schultern, zwang sie, sich zu ihm zu drehen, schüttelte sie, dass ihr Kopf vor- und zurückschlackerte wie der einer Marionette. Entsetzt riss sie sich los, glaubte einen Moment lang, einen völlig fremden Mann vor sich zu haben. Aber dann entzerrten sich seine Züge, er legte die Arme um sie und zog sie fest an sich. »Liebling, ich habe einfach unglaubliche Angst um dich. Versprich mir, dass du die Nachforschungen der Polizei überlässt«, murmelte er, streichelte sie, seine Hand kroch dabei langsam unter das weiße T-Shirt, das sie nachts trug.
    Sie versprach es. Aber tief drinnen wusste sie, dass sie dieses Versprechen brechen würde. Sie fing seine Hand ein. »Nicht jetzt, bitte halt mich fest«, wisperte sie und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsgrube. Aber die Bilder des Abends wollten nicht verschwinden. In grellen Farben standen sie vor ihrem inneren Auge. Rot für Blut, Schwarz für Verrat, Gelb für Täuschung. Und ein giftiges Orange für die explodierende Bombe. Und schon wieder liefen ihr die Tränen übers Gesicht und tropften auf Martins Hemd.
    Als sie sich gegen drei Uhr noch immer schlaflos wälzte, stand er auf und knipste das Licht im Badezimmer an. Kurz darauf kehrte er mit einem Glas Wasser und einem Tablettenröhrchen wieder. Er ließ zwei der Tabletten auf seine Handfläche rollen und hielt sie ihr hin. »Hier, du musst schlafen. Es hat keinen Sinn, wenn du dich kaputtmachst.«
    »Sind das Schlaftabletten?«, fragte sie, und als er nickte, schob sie seine Hand weg. »Ich kann … ich möchte die nicht nehmen«, verbesserte sie sich. Jetzt war sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt, ihrem Mann zu sagen, dass sie ihr erstes Baby erwarteten. Diesen Augenblick wollte sie sich ihr Leben lang bewahren, wollte nicht gleichzeitig immer an Tommys Tod denken müssen. »Es ist in Ordnung, komm wieder ins Bett, Liebling. Halt mich fest, das ist das beste Mittel, um mich zu entspannen.« Mucksmäuschenstill lag sie in seinen Armen, um ihn nicht noch mehr zu

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