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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Polizisten nicht erlaubt wurde. »Oh«, rief sie aus, als ihr klar wurde, dass er den Polizisten umgebracht haben musste. Erschrocken sah sie auf seine Hände. Wohl geformte Hände, schlank, kräftig. Wie viele Menschen hatte er wohl damit getötet? Mit welcher Waffe?
    Nun lächelte er sanft. »Ich bin gekommen, dir zu sagen, dass Tommy, dein Bruder, kein Verräter war. Er war ein guter Mann.«
    »Wer hat ihn umgebracht, Thabiso? Bitte, sag es mir.« Ihre Stimme schwankte.
    Wieder fiel ein Schleier über seine Augen, schien er sich in sein Inneres zurückzuziehen. Langsam schüttelte er den Kopf. Sie schaffte es nicht, ihm auch nur ein Wort zu entlocken, das sie auf die Fährte des Mörders gebracht hätte, aber als er nach einer Stunde ihr Haus verließ, wusste sie sicher, dass ihr Bruder kein Verräter gewesen war. Thabiso verabschiedete sich wieder mit dem traditionellen Dreiergriff. »Sala kahle, Schwester von Thomas, meinem Bruder.« Seine dunklen Augen lächelten mit großer Wärme.
    »Hamba kahle«, rief sie ihm nach. Aufrecht marschierte er durch die Tür, über den Hof, die Auffahrt und den Weg hinunter. Sein Kinn trug er hoch, sein Blick strich weit übers Land. Für eine jubilierende Sekunde sprang der Funke zu ihr über, spürte sie, wie er sich fühlen musste. »Hamba kahle«, rief sie noch einmal, sah ihm nach, bis er im grünen Meer des Zuckerrohrs verschwand. Sie lehnte sich an die Wand neben der Tür, schloss die Augen. Hilf mir, Tommy, bat sie schweigend, hilf mir, damit ich deinen Mörder finde. Er muss dafür büßen. Es ist so viel passiert. Dann sagte sie ihm alles, auch was mit Mama und ihrem Baby geschehen war.
    »Ach, Jilly, nun krieg dich wieder ein, ich bin doch immer für dich da. Du wirst sehen, es wird alles gut werden«, hörte sie ganz deutlich seine Stimme, als sie zu Ende erzählt hatte, und sie dachte nicht daran, die plötzliche Welle von Zuversicht und Kraft, die sie durchströmte, kritisch zu betrachten. Ich werde dich in meinem Herzen tragen, sagte sie ihm und verstand zum ersten Mal, was diese Redensart besagte. Sie würde ihn nie verlieren können.
    Dann überdachte sie, was sie von Thabiso gehört hatte. Nicht die Kerle vom Büro für Staatssicherheit, BOSS genannt, nicht die eigenen Leute vom ANC hatten Thomas in die Luft gejagt. Aber wer dann? Vielleicht wusste Neil inzwischen mehr? Sie ging zum Bungalow, schloss die Tür des Schlafzimmers hinter sich und wählte die Nummer der Redaktion.
    »Hi, Jill«, begrüßte er sie, »was kann ich für dich tun?« Aufmerksam lauschte er ihrem Bericht über Thabisos Besuch.
    »Wenn es BOSS nicht war und auch der ANC nicht, wer um alles in der Welt kann meinen Bruder so gehasst haben, dass er ihm eine Paketbombe schickt? Sag’s mir, ich versteh’s nicht!«
    »Lass mich nachdenken.« Leise pfiff er durch die Zähne. Die Melodie erkannte sie unschwer. Nkosi S’ikele Afrika, Gott schütze Afrika, das Freiheitslied des ANC .
    Vielleicht würde es einmal ihre Nationalhymne sein? Sie stellte sich vor, wie ein neues Südafrika aussehen würde, und ihr Herz pochte laut. Ihr Land würde danach nicht mehr das Land sein, in dem sie aufgewachsen war. Ihrer Gefühle in dieser Hinsicht war sie sich nicht sicher. Würde sie eine Fremde im eigenen Land sein?
    »Können wir uns morgen in der Stadt treffen?«, unterbrach Neil ihre Gedanken. »Was ich dir zu sagen habe, ist nur für dich bestimmt, und unsere Telefonleitungen sind ein Marktplatz für Lauscher. Ich lad dich nachmittags ins Edwards ein.«
    Die Fahrt nach Durban dauerte wesentlich länger als sonst, sie musste an Mautstationen und Baustellen warten, und die Straßen in Stadtnähe waren verstopft. Um einiges verspätet, fuhr sie um sechs Uhr schwungvoll beim Edwards-Hotel vor, stieg aus und gab den Schlüssel mit einer Zehn-Rand-Note dem grün livrierten Portier. Dieser würde den Wagen sicher parken, und sie vermied die Gefahr eines Überfalls, die in der Innenstadt immer gegeben war. Eilig lief sie die breiten Stufen hinauf, durch die Halle mit dem hohen Gewölbe und den plüschigen Armsesseln ins Restaurant.
    Neil war schon da, erhob sich, als er sie erblickte. »Hallo, Jill, du siehst umwerfend aus! Diese Farbe steht dir wunderbar – besonders so wenig davon. Wie nennt man die?« Er zog ihr einen Stuhl zurecht.
    Sie lächelte, strich ihren knappen Minirock glatt und erwiderte seinen Kuss. »Curry. Danke fürs Kompliment.« Sie setzte sich. »Es tut mir Leid, dass ich mich so

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