Ein Land, das Himmel heißt
verspätet habe, aber der Stau an der letzten Baustelle reichte bis Timbuktu.«
Der Kellner grüßte sie mit Namen, denn die Courts waren Stammgäste im Edwards. Rasch bestellte Neil Kaffee, Tee, Kuchen, Scones mit Sahne und Eiscreme für Jill. Sie schaute hinaus. Draußen rollte der Verkehr im Schritttempo vorbei, schwarze Frauen hatten ihre Waren auf dem Pflaster des gegenüberliegenden Bürgersteigs ausgebreitet, einige strickten, andere fädelten Perlen auf. Ein eng zusammengedrücktes Grüppchen weißer Touristen flanierte an ihnen vorbei. Musikfetzen und Kinderstimmen schallten vom Vergnügungspark herüber, Lichter huschten über schattige Massen. Über allem schwebte das Donnern der Brandung und das schrille Kreischen der Möwen. »Was möchtest du mir sagen?«, fragte sie, als ihre Bestellung gekommen war und der Kellner sich wieder entfernt hatte.
Neil legte seine Kuchengabel nieder. »Es gibt in Zululand eine Gruppe Männer, die so geheim ist, dass sie nicht einmal einen Namen hat. Ich weiß auch nicht, wer ihr angehört, nicht genau jedenfalls. Jeder von ihnen hat den Schwur getan, jeden zu töten, der sie von ihrem Land verjagen will, egal welcher Hautfarbe. Für diese Männer genügt es schon, wenn man auch nur an Landumverteilung denkt.«
Ihre Hand, die eben einen Löffel Eiscreme zum Mund führte, sank herunter. »Ich versteh nicht, Neil, sind es Zulus? Oder wen meinst du?«
»Nein, Weiße. Ich habe Gerüchte gehört, dass fast alle Farmer eurer Gegend dieser Gruppe angehören, aber, wie ich sagte, genau weiß ich es nicht. Du darfst mit keinem darüber reden, was ich dir erzählt habe, versprichst du das? Bitte, Jill, denk daran, was deinem Bruder passiert ist.«
Eine Paketbombe hatte ihren Bruder zerfetzt. Sie brauchte einige Zeit, bis sie seine Worte verdaut hatte. »Ja«, sagte sie dann, »versprochen.« Sie lehnte sich ins weichen Polster, ihr Eis zerfloss in der Glasschale zu einem unappetitlichen Gemisch. Farmer? Daddy war Farmer, Leon, der Bruder von Martin war Farmer wie vorher sein Vater, Alastair Farrington und all ihre anderen Nachbarn in der näheren und weiteren Umgebung. Jeden einzelnen drehte und wendete sie vor ihrem inneren Auge, fragte sich, ob der oder vielleicht dieser dazugehörte? Bei keinem reichte ihre Vorstellungskraft so weit, dass sie ihn sich als Mörder ihres Bruders vorstellen konnte. Sie sagte es Neil. Seine Geste zeigte ihr, dass er anderer Meinung war.
Als sie sich endlich vor dem Edwards von Neil verabschiedete, sah er konsterniert auf die Uhr. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es geworden ist. Es ist ja schon pechschwarz draußen.« Besorgt wies er auf das Treiben auf der Marine Parade.
Sie schaute sich um. Fast alle Parkplätze am Straßenrand waren belegt, dazwischen rannten halbwüchsige Schwarze, die jedem herannahenden Auto vor den Kühler sprangen und mit Pfeifen und ausholender Gestik auf Parklücken deuteten. An der Ampel zur Weststreet lauerten Fensterputzer, Zeitungsjungen, indische Rosenverkäufer und ein paar Straßenhändler, die Armbanduhren und Sonnenbrillen anboten. Auf der dem Edwards gegenüberliegenden Straßenseite waren die schwarzen Frauen mit ihren Waren verschwunden, stattdessen saßen ein paar Mädchen mit ihren Freunden auf der niedrigen Einfassung eines Blumenbeetes. Die Schwarzen kreischten vor Lachen, zwei tanzten zu der fetzigen Musik aus dem Ghettoblaster, der zwischen ihnen auf dem Pflaster stand. Im hell erleuchteten Vergnügungspark schwebten die Gondeln der Seilbahn über Karussells und elektrischen Booten. Sie waren mit juchzenden Menschen gefüllt, die durch mit bunten Lichterketten geschmückte, künstliche Wasserarme fuhren.
Neil und sie waren die einzigen Weißen, die nicht hinter verriegelten Türen im Auto saßen.
Er drückte ihre Schulter. »Willst du nicht lieber bei uns schlafen? Du kannst deinen Wagen hier lassen, dann fahren wir gemeinsam zu uns. Mir ist unbehaglich bei dem Gedanken, dass du allein in der Dunkelheit nach Zululand fährst. Die Straßen sind so schlecht. Du brauchst nur in ein Schlagloch zu donnern und mit einer Reifenpanne liegen zu bleiben. Du weißt, wie gefährlich das ist.«
»Ach wo«, winkte sie ab, »ich kenne jedes Schlagloch, mir wird schon nichts passieren.« Sie stieg ins Auto. Drinnen war es noch drückend heiß, und sie bedauerte, vorher nicht eine Weile die Türen geöffnet zu haben.
»Bleib auf den Hauptstraßen, Jill, fahr defensiv, verschließ alle Türen und Fenster und
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