Ein Land, das Himmel heißt
verstummte mit einem verstohlenen Blick auf Jill.
Ihr erschien es, als verschwiege Angelica ihr etwas. »Und? Da ist doch noch etwas vorgefallen …«
Die Freundin wich ihrem scharfen Blick aus, spielte an einer Haarsträhne. Kinderlachen schallte aus dem Haus, eine fröhliche Frauenstimme rief etwas auf Zulu, die Tauben über ihnen im Baum gurrten schläfrig. »Komm rein, lass uns Kaffee trinken«, sagte sie.
Jill hielt sie am Arm zurück. »Lenk nicht ab! Was war da noch, und warum willst du nicht darüber reden?«
Die Antwort brach schwallartig aus Angelica hervor, als würde sie sich übergeben. »Weil es mir mehr Angst einjagt, als ich ausdrücken kann. Jimmy hat einen der Einbrecher identifiziert, bevor er ins Koma fiel …«, ihre Stimme kletterte, wurde immer lauter, »… er sagt, es wäre Thando Kunene gewesen …«
»Popi?«, flüsterte Jill entsetzt.
Ihre Freundin nickte. »Popi. Er ist offenbar endgültig aus Simbabwe nach Hause zurückgekehrt, begleitet von einem zerlumpten Haufen Halunken.«
Die beiden Frauen sahen sich stumm an.
Jill brach als Erste den Bann. »Was sagt die Polizei?«
Ein bitteres Auflachen, eine abschätzige Handbewegung Angelicas sagte mehr, als alle Worte es vermocht hätten. Im nächsten Moment stürmten Patrick und Craig aus dem Haus, warfen sich in Jills Arme, und Popi war vorübergehend vergessen. Sie fing die kleinen Jungen auf, schwang sie hoch und drückte sie fest an sich, spürte ihre warme, feste Haut, die Kraft der Ärmchen, die sich um ihren Hals schlangen, roch ihren nussigen Duft, und ihr Inneres krampfte sich zusammen. Ihr Kind wäre jetzt ungefähr so alt wie Craig, würde lachen wie er, sie umarmen wie er. Und würde sie Mama nennen.
Mit Craig auf dem Arm trat sie in die dämmrige Halle ein, stolperte fast über das große Plastikauto, das im Eingang lag, gab sich redliche Mühe, den Strom von Fragen, der aus Patrick heraussprudelte, zu beantworten, und folgte Angelica in die Küche. Eine Schwarze in blauem Kittel und passendem Kopftuch stand an der Spüle und schnippelte Gemüse.
»Hallo, Maggie«, grüßte Jill, »geht es dir gut?« Wie es sich gehörte, erkundigte sie sich, ob es neue Familienmitglieder gab, wer gestorben war und ob ihr Mann Dumisani Arbeit hatte.
»Nein, Madam«, antwortete Maggie, »es gibt keine Arbeit.«
Also musste Maggie die Familie ernähren. Jill erinnerte sich, dass sie fünf Kinder hatte und ihre alten Eltern noch lebten. Übersetzt hieß das, dass von der Arbeitskraft dieser schmalen Frau mindestens neun Menschen abhingen. »Schick Dumisani nach Inqaba, Maggie«, sagte sie impulsiv, »vielleicht haben wir etwas für ihn.« Lachend wehrte sie ab, als Maggie, die sicher zwanzig Jahre älter war als sie, ihre Hände ergriff und mit einem Knicks ihren Dank stammelte. »Ich kann’s aber nicht versprechen«, warnte sie vorsichtshalber.
»Mach uns bitte Tee, leg etwas von dem Kuchen von gestern dazu, und vergiss nicht, den Nachtisch fürs Abendessen zu bereiten, hörst du?« Mit diesen Worten zu Maggie zog Angelica die Freundin aus der Küche durch die Halle ins Wohnzimmer. Das Zimmer wurde von einem wandhohen Bücherregal dominiert, vor dem ein langhaariger Teppich lag. Jill las interessiert die Buchrücken. »Hast du etwas Neues zu lesen für mich?«
»Pass auf«, warnte Angelica, »tritt nicht auf den Teppich da, er ist voller Flöhe, die Hunde schlafen immer darauf. Die Biester springen dich sofort an und beißen dich. Hier, sieh mal!« Sie streckte Jill ein nacktes Bein hin, das mit zahlreichen roten Flohbissen übersät war.
Jill sprang vom Teppich herunter, und prompt schien etwas ihr Bein hochzukrabbeln. Sie kratzte sich. »Versuch’s mal mit einem Flohhalsband, die wirken sehr gut.«
»Steht mir nicht«, grinste Angelica, und die gedrückte Stimmung wich. Sie setzten sich unter das tiefe Schattendach der Veranda, die sich um drei Seiten des Hauses zog. Als Maggie den Tee gebracht hatte, erzählte sie Angelica von sich und Martin. »Sag mir, dass ich albern bin, sag mir, dass er ein Recht hat, sich Geld zu nehmen, ohne es mir zu sagen, sag mir … Oh, Mist, ich weiß nicht, was ich tun soll!« Sie versteckte ihr Gesicht in den Händen.
Ihre Freundin zog ein Taschentuch aus ihren Jeans und putzte Craig die Lecknase. Dann lehnte sie sich zurück, spielte mit einer Strähne ihres schulterlangen Haares. »Kann es sein, dass er spielt?«
Verblüfft starrte Jill sie an. »Spielt? Meinst du im Kasino, am
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