Ein Land, das Himmel heißt
diese Jugendlichen, die seit dem Tag ihres Aufstandes die Schulen boykottieren, hatten keinerlei Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen.
Also taten sie das, was sie in den ANC -Lagern in Tansania, Mosambik und Angola gelernt hatten. Sie beschafften sich Waffen und fanden schnell heraus, dass es einfacher war, einem Mann mit vorgehaltener Waffe den Wagen zunehmen, als sich das Geld dafür mit Arbeit zu verdienen. Ströme von Blut tränkten die Erde, Angst fegte wie ein Wintersturm über das Kap und überzog das Land mit einem Eishauch. Wissenschaftler, Techniker, jeder, der es sich leisten konnte – kurzum die Elite Südafrikas –, verließen das Land in Scharen.
Selbstverständlich befanden sich die schwarzen Südafrikaner, die grundehrlich waren, nach moralischen Grundsätzen lebten, die nur als exemplarisch gelten konnten, bei weitem in der Überzahl. Aber von denen las man nichts und hörte man nichts. Natürlich nicht. So etwas interessierte keinen, das waren keine Neuigkeiten. Schwarz war gleich kriminell, und damit basta. Das glaubten die meisten weißen Südafrikaner. Sie handelten wie Harry, wenn er eine Schlange entdeckte. »Ich schlag sie erst tot und sehe später nach, ob sie giftig ist. Sicher ist sicher.« Grinsend hielt er dann den blutigen Kadaver hoch, bevor er ihn in den Abfall warf. »So geht man mit Ungeziefer um.«
All das ließ Jill sich durch den Kopf gehen. Am nächsten Sonntag kaufte sie eine
Sunday Tribune
, die die größte Immobilienbeilage in Natal aufwies. Das Angebot war groß, der Markt mit Häusern derjenigen überschwemmt, die das Land verlassen wollten. Zusammen machten sie und Martin am Sonntagnachmittag die Runde bei den zur Besichtigung geöffneten Häusern, eine Beschäftigung, der viele Südafrikaner frönten, besonders wenn das Wetter nicht so angenehm war.
Aber eine Woche nach der anderen verstrich, es wurde November, und kein Haus fand Gnade vor Martins Augen. Er wurde zum Albtraum aller Immobilienmakler. Schonungslos trampelte er auf den Gefühlen von Hausbesitzern herum, bemängelte dies, mäkelte über jenes. Eine junge Frau, Jill schätzte sie auf zweiundzwanzig, ein Baby saß auf ihrer Hüfte, das andere hing plärrend an ihrem Hosenbein, das dritte trug sie im Bauch vor sich her, putzte Martin derart arrogant herunter, was die Qualität ihrer Installationen anging, dass diese in Tränen ausbrach und sie, ihn und die Immobilienmaklerin hinauswarf. Jill war rot vor Scham über seinen Auftritt. »Wie kannst du nur so gefühllos sein?«, fauchte sie ihn an. »Hast du nicht gesehen, was da los war?«
»Nee, was denn?« Er schien unbeeindruckt von ihrer Empörung zu sein. »Der Preis war zu hoch für das Schrotthaus, das ist das Einzige, was mich interessiert …«
»Zwei Kleinkinder, ein drittes auf dem Weg, Gartenstühle als Wohnzimmermöbel, auf dem Teppich waren noch die Eindrücke von Couchfüßen, als Esstisch hatten sie einen Kunststoffgartentisch, die Betten waren nichts als Matratzen mit Metallbeinen – ich möchte wetten, der Mann ist arbeitslos, und die Gläubiger haben ihnen die Möbel weggenommen. Dann kommst du Schnösel daher, rammst deinen Schlüssel in sämtliche Fensterumrandungen, wackelst an den Installationen, dass ich dachte, die Rohre brechen ab, und erzählst diesem armen Ding, dass das Haus, das Einzige, was sie noch vor dem finanziellen Absturz retten könnte, nur noch den Abbruchpreis wert wäre.«
»Was hat das mit uns zu tun? Willst du den Wucherpreis zahlen, nur weil denen das Wasser Oberkante Unterkiefer steht?«
»Nein, natürlich nicht, aber du hättest dieser Frau einfach sagen können, dass dieses Haus für unsere Bedürfnisse leider nicht passt. Das hätte genügt. Warum musstest du so gemein sein?« Martins verständnislose Miene zeigte ihr deutlich, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie redete. »Wir werden die Maklerin höflich bitten, uns noch einmal die zwei Häuser, die mir am Sonntag so gut gefallen haben, zu zeigen, und eins davon werden wir nehmen, sonst bleibe ich auf Inqaba«, fauchte sie.
Sie kehrten nach Inqaba zurück. Eine Wand aus wütendem Schweigen stand zwischen ihnen, die Martin ein paar Mal durch Berührung oder einen zaghaften Scherz einzureißen trachtete, doch Jill kochte: »Fass mich nicht an, lass mich zufrieden!« Auf Inqaba ging sie geradewegs ins Haupthaus und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Durch das Wohnzimmerfenster sah sie ihm nach. Hände in die Hosentaschen gesteckt, Schultern
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