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Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Jill seit ihrer Hochzeit erlebt hatte. Sie sprang aus dem Bett, lief ins Badezimmer, machte sich rasch frisch, dann weckte sie Martin. »Herzlichen Glückwunsch, mein Liebling«, rief sie und küsste ihn ausgiebig. Schlaftrunken schlang er seine Arme um sie und zog sie zu sich herunter. Sie schlüpfte zu ihm unters Laken, fühlte seine Hände warm auf ihrer Haut, war süchtig nach seinen Liebkosungen.
    Es war fast Mittag, ehe er sich verabschiedete. »Bis nachher, dann beginnt die Zukunft«, rief er, als er in sein Auto stieg, und lachte wie ein übermütiger Junge.
    Sie winkte ihm nach. Nur noch wenige Stunden, dachte sie, nur noch wenige Stunden. Um halb sieben wollte sie sich mit Martin beim Rechtsanwalt treffen, dann endlich, nach wochenlangem zähem Streit um jede Formulierung sollte der Vertrag von ihnen beiden unterschrieben werden und Martins Traum vollenden. Eine grandiose Hotelanlage mit Kasino in der Transkei am weißen Strand der Turtlebay und Martin als federführender Architekt und Partner von Jake Berman. Sein jüngster Partner.
    Jake, Anfang sechzig, ein Energiebündel mit rotblonden Haaren, rotblonder Haut und rotblonden Wimpern, baute Hotels in der ganzen Welt. Martin bewunderte ihn maßlos. Sein ganzes Können hatte er in dieses Projekt gesteckt, sich mit seinem Entwurf gegen vier renommierte Architekten durchgesetzt. An jenem Tag hörte sie seit langer Zeit wieder sein unbekümmertes Jungenlachen. Es war wie ein helles Licht in einer dunklen, stürmischen Nacht. Sie war so glücklich für ihn. Endlich würde er es allen beweisen, würden sie erkennen, wie gut er wirklich war.
    Martin musste sich verpflichten, sich prozentual zu seinen Partnerschaftsanteilen an der Vorfinanzierung der Erschließungskosten zu beteiligen. Jakes Anwalt hatte verlangt, dass Jill als seine Ehefrau ebenfalls unterschreiben sollte. »Kann nichts schief gehen bei so einem Projekt«, lachte Martin, und seine Augen glänzten.
    Sie erledigte ein paar anfallende Arbeiten, telefonierte längere Zeit, und am frühen Nachmittag entschied sie, dass es nun reichte. Es war einfach zu viel heute, sie musste sich bewegen. Kurz entschlossen fuhr sie zum Strand. Barfuß lief sie den steilen Weg am Cabana-Beach-Hotel vorbei ans Meer. Feuchtigkeit glitzerte in der Luft, über ihr kreiste ein Fischadler im tiefen Blau. Sein Schatten huschte über die vom weichen Wind geriffelte Wasseroberfläche der Lagune, in die sich der Umhlanga-Fluss ergießt, sie allmählich auffüllt, bis der angeschwemmte Sanddamm bricht und das Wasser sich in den Indischen Ozean stürzt. Vom Naturschutzgebiet Hawaanbusch auf der südlichen Seite, dichtem Küstenurwald im Norden und raschelndem Ried auf dem inländischem Ufer begrenzt, bot die Lagune Schutz für viele Vögel. Sie warf den Kopf zurück, sah dem Adler nach, der nur noch ein winziger schwarzer Scherenschnitt vor dem brennend blauen Himmel war. Träge segelte er nach Norden. Sie folgte ihm, immer entlang der mit tiefgrünem Buschurwald bewachsenen Küstendünen.
    Der leichte Wind blies sie vorwärts, ihr weißes Blusenhemd bauschte sich. Der Sand brannte zwischen ihren Zehen, das Meer war glatt, der Horizont klar. Es war kurz nach drei, und nichts deutete auf einen plötzlichen Wetterwechsel hin. Sie lief durch die schimmernde Strandwelt, über den weichen Sand am Saum des Ozeans, kühlte ihre Füße in den auslaufenden Wellen. Ihr Blick strich über die sanfte Dünung, die sich leise zischend an der Felsbarriere vor der Küste brach. Delfine schossen pfeilschnell durch die gläsernen Wellenkämme, sprangen hoch, tanzten sekundenlang Ballett auf ihrem Schwanz, fielen klatschend zurück und zogen hinaus aufs Meer. Weit draußen stob ein Schwarm weißer Seeschwalben dicht über die Wasseroberfläche, vom Wind verwirbelt wie weiße Papierfetzen.
    Ein Schleier verzerrte ihre Sicht, sie nahm die Sonnenbrille ab, um sie zu reinigen, und wurde sich bewusst, dass es ein Tränenschleier war. Das Glücksgefühl, das ihr die Kehle eng machte, das Blut in den Kopf und den Puls hochtrieb, hielt sie kaum noch aus. Sie lachte, ein wildes, freies Lachen. Der Ring von Trauer und Depression, der ihr Herz seit dem November 1989 immer enger eingeschnürt hatte, lockerte sich. Heute Abend würde er gesprengt werden, und sie würden feiern, bis zum nächsten Morgen. Sie stellte sich Martins Gesicht vor, wenn er durch die Eingangstür treten würde. Er ahnte nichts von dieser Party, glaubte, dass nur sie beide seinen

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