Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Land, das Himmel heißt

Ein Land, das Himmel heißt

Titel: Ein Land, das Himmel heißt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Roulettetisch? Oder Poker oder so?«
    »Oder so«, nickte Angelica, »noch sind Kasinos in Südafrika verboten, und das nächste ist ja wohl in Swaziland – aber ich denke, das wird sich unter der neuen Regierung ändern, ein Kasino zu betreiben ist doch wie die Lizenz zum Geld drucken.«
    »Wie kommst du darauf?«
    Angelica zuckte die Schultern. »Was du da erzählst, erinnert mich an meinen Vater. Er hat gespielt.«
    Der Ton ihrer Stimme ließ Jill das ganze Ausmaß der Tragödie ahnen. Kurz vor ihrer Hochzeit hatten sich Angelicas Eltern scheiden lassen, ihr Elternhaus wurde versteigert, ihr Vater war allein in ein kakerlakenverseuchtes Zwei-Zimmer-Apartment in einem Hochhaus der zweiten oder dritten Reihe hinter Durbans Marine Parade gezogen. Es hatte viele Spekulationen im Freundeskreis gegeben, aber Angelica hatte eisern geschwiegen. Bis heute. »Ach so«, sagte Jill, langsam begreifend.
    »Genau«, nickte ihre Freundin, »er spielt immer noch. Es ist eine furchtbare Krankheit.«
    »Was soll ich jetzt machen?«
    »Hoffen, dass ich mich irre. Sonst kannst du nichts machen. Das ist eine Sucht, eine Krankheit, die fast unheilbar ist.«
    Sehr nachdenklich fuhr Jill später nach Hause. Spielte Martin? Oder kompensierte sein Verhalten den hartnäckig ausbleibenden Erfolg als Architekt? Es war ja nicht nur seine Schuld, gestand sie sich ein, dass er in den letzten Jahren kaum etwas verdient hatte. Arbeit für Architekten war spärlich geworden. Investoren, inländische wie ausländische, zuckten vor Südafrika zurück, als hätten sie sich verbrannt. Alle hatten Angst. Alle starrten auf das Datum der Wahl und warteten ab. Hier und da hatte er kleinere Projekte bearbeitet, meist Umbauten, aber sie brachten kein Geld. Oft bezahlten auch die Auftraggeber erst Monate später und immer häufiger überhaupt nicht.
    Aber warum redet er nicht mit mir, wenn er Geld braucht? Warum vertraut er mir nicht? Warum lässt er mich so allein?
    Sie kam zu spät zum Abendessen, hatte auch keinen Hunger, zog es vor, eine Weile allein auf der Veranda ihres Bungalows zu sitzen, bevor sie ins Bett ging. Sonst lagen sie immer noch gemeinsam wach und sprachen über den vergangenen Tag, aber als Martin ebenfalls ins Schlafzimmer kam, stellte sie sich schlafend. Kurz darauf spürte sie seine Hand. Zaghaft kroch sie unter ihr Hemd und legte sich fest auf ihre Brust. Jill drehte sich so, dass sie abrutschte.
    *
    Am folgenden Freitagmittag klingelte das Telefon. Es war Lina. Jill konnte Lilly und ihr kleines Brüderchen im Hintergrund lachen hören, und für Sekunden krampfte sich ihr Herz zusammen. Die Sehnsucht nach einem Baby beherrschte ihre ganze Gefühlswelt. »Jilly, habt ihr schon ein Haus? Nein? Na prima! Ein Kollege von Marius geht nach England und will sein Haus erst einmal langfristig vermieten. Du musst es dir ansehen, es liegt oberhalb des Highways in Umhlanga, hat eine traumhafte Sicht, und durch seine besondere Lage ist es sehr sicher. Am besten fahrt ihr heute noch hin, damit es euch niemand wegschnappt.«
    Seufzend notierte Jill die Adresse, und sie und Martin fuhren gemeinsam nach Umhlanga. Sie redeten kaum auf der Fahrt. Wie aufgewirbelter Schlamm hatte sich ihr Streit noch nicht völlig gelegt. Schweigend bog sie in den Flamboyant Drive ein. Obwohl es diesen Teil Umhlangas schon mehr als dreißig Jahre gab, konnte sie sich nicht erinnern, je dort entlanggefahren zu sein. Die schmale Asphaltstraße lag still im Sonnenlicht vor ihr, führte ziemlich steil hinauf an den Rand der Zuckerrohrfelder. Sie fuhr langsamer, um die Schönheit der Gärten zu genießen. Ein Meer von Farben flirrte vor ihren Augen, die Luft war sanft. Die farnähnlichen Blattwedel der Flamboyantbäume wisperten im Wind, Nektarvögel umschwirrten die roten Blütenbüschel. Zwei schwarze Frauen in rosa Hausmädchenkitteln lagen im Schatten eines Frangipanis. Eine sang, eine sehnsuchtsvolle Weise in Zulu über ihren Wunsch, nach Hause, nach Zululand zurückzukehren.
    Die vorletzte Querstraße, genau an der Ecke, hatte Lina als Adresse angegeben. Jill fuhr langsam am Haus vorbei, drehte oben bei den Zuckerrohrfeldern und parkte vor dem Eingang. Dann stellte sie Klimaanlage und Motor ab, ließ die Fenster hinunter und lauschte. Nahebei surrte ein Rasenmähermotor, hier und da zwitscherte ein Vogel, die schläfrigen Stimmen der beiden Zulumädchen schwebten im warmen Wind zu ihnen hinauf. Sonst war es still in der sirrenden Mittagshitze. Sie stieg aus, und dann

Weitere Kostenlose Bücher