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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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ihnen eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung, Orientierung und Initiierung internationaler Anstrengungen der Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung zu. Wenn es jemals eine kohärente, globale Anstrengung zur Überwindung extremer Armut geben sollte, dann mussten diese beiden Institutionen beteiligt werden.
    Aber 1997 war ihr Verhältnis zur UNO distanziert und von bürokratischen Grabenkämpfen geprägt. Ich wusste, dass es auch besser ging. Bei einem Besuch in Washington früh im ersten Jahr meiner Amtszeit verabredete ich mich mit James Wolfensohn, dem Präsidenten der Weltbank, und Michel Camdessus, dem geschäftsführenden Direktor des IWF , zum Frühstück. Aus diesem Treffen entwickelte sich eine Beziehung, die im Lauf des nächsten Jahrzehnts zu einer beispiellosen Zusammenarbeit zwischen unseren drei Institutionen führen sollte.
    Als ich Verbindung zu diesem breiteren Spektrum von Protagonisten aufnahm, ahnte ich nicht, welchen Durchbruch wir am Vorabend der Jahrtausendwende erzielen sollten. Vielmehr versuchte ich, opportunistisch jede Ressource zu mobilisieren, von der ich hoffte, sie könnte die Tendenz und Dynamik der internationalen Entwicklung verändern. Aber sobald wir begonnen hatten, dieses Netzwerk aufzubauen und alle Fäden zusammenzuführen, wie es nur eine Institution wie die UNO vermag, schälte sich eine neue Kraft heraus. Doch das allein war nicht entscheidend. Trotz der Veränderungen, die wir eingeleitet hatten, erforderte die Aufgabe, der Armut einen höheren Stellenwert auf der internationalen Agenda zu verschaffen, etwas Dramatischeres als Reformen im Sekretariat. Wir mussten die Mitgliedsstaaten einbeziehen. Dafür war jedoch angesichts der Geschichte der Entwicklungshilfe nichts Geringeres als eine wahrhafte diplomatische Neuerung vonnöten – und diese sollte sich ausgerechnet durch ein zufälliges Datum ergeben.
    Man hatte allgemein erwartet, dass die UNO den Jahrtausendwechsel mit einem besonderen Ereignis begehen würde. Dieses Ereignis, darauf hatte man sich geeinigt, sollte ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs vor der Generalversammlung im September 2000 sein. Darüber hinaus war die einzige Orientierung für die Mitgliedsstaaten – die, den UN -Regeln gemäß, das Ereignis ausgewählt und beschlossen hatten – eine Resolution von 1998, in der die Generalversammlung ihre Überzeugung ausdrückte, »dass das Jahr 2000 einen einzigartigen und in seiner Symbolik bezwingenden Augenblick zur Artikulierung und Bekräftigung einer inspirierenden Vision der Vereinten Nationen in dieser neuen Ära darstellt«.
    Aufgrund dieser vagen Formulierung hatten wir weitgehend freie Hand bei der Gestaltung des Ereignisses und der zugehörigen Debatte. Traditionell besteht die Rolle des Generalsekretärs bei solchen Anlässen darin, den administrativen und organisatorischen Rahmen bereitzustellen. Doch diesmal sah ich eine Gelegenheit, auch unser moralisches Gewicht einzubringen. Unter dem allgemeinen Thema der Erneuerung der Organisation im neuen Jahrhundert konnten alle bedeutenden Themen, mit denen die UNO konfrontiert war, zur Sprache gebracht werden. Aber schon früh wurde deutlich, dass die Armut im Mittelpunkt stehen sollte. An der Jahrtausendwende besaß die Welt zum ersten Mal die Mittel, um die bitterste Armut zu beenden. Aber auf der kollektiven Prioritätenliste der Regierungen klaffte an der Stelle, an der die Armut hätte stehen müssen, immer noch eine Lücke. Das Gipfeltreffen bot eine seltene Gelegenheit, diesen Mangel zu beseitigen.
    Als ersten Schritt veröffentlichte ich am 27. März 2000 den Bericht Wir, die Völker. Die Rolle der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert, über den alle UN -Mitgliedsstaaten in Vorbereitung auf den Millenniumsgipfel nachdenken sollten. Ein derart umfassender Bericht wird für gewöhnlich zunächst von relativ untergeordneten Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen entworfen und anschließend mehrere Monate lang von anderen Abteilungen und Vertretern der Mitgliedsstaaten begutachtet und abgeändert. Bei all den Rücksichten und Kompromissen, die dabei ins Spiel kommen, trifft man sich fast immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Auf einer solchen Grundlage würde die Armutsbekämpfung nie vorankommen. Deshalb übertrug ich zwei hohen Mitarbeitern aus meinem Büro im achtunddreißigsten Stock, John Ruggie und Andrew Mack, die Leitung des Projekts, mit der Maßgabe, den Bericht ohne Einbeziehung anderer Abteilungen und ohne

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