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Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition)

Titel: Ein Leben in Krieg und Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kofi Annan
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nigerianisch-kamerunischen Dialog, Frieden und Stabilität aufrechtzuerhalten. Es war ein bedeutender Erfolg dieser alternativen Form der Intervention.
    Aber die Prävention besitzt im globalen System auch eine härtere Seite, die umstrittener ist: die abschreckende Wirkung eines internationalen Systems, das die Drohung umfasst, auf grobe Menschenrechtsverletzungen mit militärischen Mitteln zu reagieren. Als Generalsekretär war ich fest überzeugt, dass die Glaubwürdigkeit der UNO in den Augen der Bürger armer und reicher Staaten gleichermaßen davon abhing, wie wir zur Frage der humanitären Intervention standen: ob wir uns an der Macht von Staaten ausrichteten oder aber uns der Rettung von Menschenleben und der Verteidigung der Menschenrechte jedes Einzelnen verpflichtet fühlten. Wenn Staaten, die zu kriminellen Handlungen neigten, wussten, dass Grenzen keinen absolut sicheren Schutz darstellten, sondern dass der Sicherheitsrat Maßnahmen ergreifen würde, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden, dann würden sie einen solchen, auf der Annahme souveräner Straflosigkeit beruhenden Kurs nicht einschlagen. Im September 1999 mahnte ich die Generalversammlung: »Wenn das kollektive Gewissen … nicht in den Vereinten Nationen seine größte Tribüne findet, besteht eine ernste Gefahr, dass es sich woanders nach Frieden und Gerechtigkeit umschaut.«
    Nachdem ich eine ganze Reihe von Fragen angesprochen hatte, wollte ich niemanden im Zweifel darüber lassen, wo ich stand. Deshalb fuhr ich fort: »Diese sich entwickelnde internationale Norm für Interventionen, um Zivilisten vor einem massenhaften Abschlachten zu bewahren, wird ohne Zweifel weiterhin große Herausforderungen an die internationale Gemeinschaft stellen. Jede derartige Entwicklung unseres Verständnisses von staatlicher Souveränität und individueller Souveränität wird mancherorts auf Misstrauen, Skeptizismus und sogar Feindseligkeit stoßen. Aber es ist eine Entwicklung, die wir begrüßen sollten. Warum? Weil sie trotz ihrer Einschränkungen und Unzulänglichkeiten Zeugnis für eine Menschlichkeit ablegt, die sich stärker – und nicht weniger – um das Leid unter uns sorgt, und eine Menschlichkeit, die mehr tun wird – und nicht weniger –, um es zu beenden.«
    Das letzte Jahr des 20. Jahrhunderts, des blutigsten Jahrhunderts der Menschheitsgeschichte, endete angesichts dieser Entwicklungen in den internationalen Beziehungen auf einer hoffnungsvollen Note. Das neue Jahrhundert würde sicherlich nicht ohne Kriege und Konflikte sein. Es würde mit den uralten Feinden von Frieden und Koexistenz zu kämpfen haben und von aufstrebenden Mächten und bisher unbekannten Hassverschwörungen vor neue Herausforderungen gestellt werden. Und dort, wo Regierungen fortfuhren, ethnische Gruppen und Minderheiten zu unterdrücken, würde das Ideal der Intervention in den gegebenen Konstellationen von Macht, Fähigkeiten und politischem Willen ein Gegengewicht finden. So viel war uns klar.
    Im September 2000 übernahm die kanadische Regierung in Gestalt von Lloyd Axworthy den Stab, den ich der Welt ein Jahr zuvor mit meiner Interventionsrede in der UN -Generalversammlung hingestreckt hatte. Axworthy versammelte eine Gruppe von Wissenschaftlern und Diplomaten unter Führung des australischen Außenministers Gareth Evans und des erfahrenen algerischen UN -Diplomaten Mohamed Sahnoun, die einen Bericht über die Umsetzung der von mir angeregten neuen Norm ausarbeiten sollte. Den dauerhaftesten Beitrag lieferte indes nicht der Inhalt, sondern der Titel des Berichts: Er verlagerte den Schwerpunkt vom Interventionsrecht der Weltgemeinschaft hin zu einer »Schutzverantwortung« ( responsibility to protect ), die sowohl die Regierungen als auch die Weltgemeinschaft als Ganze übernehmen sollten.
    Während die von Kanada einberufene Kommission über eine neue Doktrin für die Weltgemeinschaft nachdachte, bildete sich auch im Handeln vieler Weltmächte augenscheinlich eine Kultur der humanitären Intervention heraus. Das trat in der Entschlossenheit zutage, mit der einige der herausragenden internationalen Regierungsführer während meiner Amtszeit als Generalsekretär auf diese Aufgabe reagierten. Nach einer schwierigen Zeit für die friedenserhaltende UN -Mission in Sierra Leone im Jahr 1999 und Anfang 2000, in der es schien, als sei der gesamte Einsatz aufgrund der unnachgiebigen, brutalen Haltung der Konfliktparteien zum Scheitern verurteilt, konnte ich mich

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