Ein Leben lang
ihrem Essen beschäftigt waren. Rebecca entdeckte, dass sie hungriger war als angenommen, und aß ihren Teller leer. Doch die von Jackson vorgeschlagene Nachspeise lehnte sie dann doch ab und bestellte nur noch einen Kaffee. Während er sich über seinen Apfelkuchen mit Vanilleeis hermachte, knüpfte Rebecca an das Gespräch von zuvor noch einmal an.
„Dann können Sie sich also nicht vorstellen, die Ranch zu verkaufen, das Geld zu nehmen und sich einfach irgendwo einen schönen Lenz zu machen? Für viele Menschen wäre so etwas das Paradies auf Erden, warum nicht für Sie?“ Er zuckte die Schultern. „Ich mache diese Art Arbeit schon so lange, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Davon abgesehen gefällt mir mein Leben so, wie es ist.“
„War Ihr Vater auch Rancher?“
„Er hatte keine eigene Ranch, aber er hat sein ganzes Leben lang auf Ranchs gearbeitet. Er war Vorarbeiter bei Atchinson Conglomerate in Wyoming, einem der größten Landwirtschaftsbetriebe in den USA.“
„Und was macht Ihr Vater jetzt?“
„Er ist gestorben.“
„Das tut mir Leid.“
„Es ist passiert, als ich zwölf war, und das ist lange her.“
„Sie waren damals erst zwölf? Aber das ist schrecklich jung, um einen Elternteil zu verlieren. Hat Ihre Mutter wieder geheiratet?“
„Sie starb zusammen mit meinem Vater.“
Rebecca stockte der Atem, sie schaute ihn entsetzt an. „Oh, Jackson. Ich habe meinen leiblichen Vater nie kennen gelernt, aber ich hatte immer meine Mutter und bis Anfang zwanzig auch einen Stiefvater. Wie schrecklich, dass Sie gleich beide Eltern auf einmal verloren haben. Was ist passiert?“ Er schob seinen leeren Teller von sich weg und trank einen Schluck Kaffee.
Rebecca konnte in seinem Gesicht keine Traurigkeit entdecken.
„Sie fuhren Ende Dezember von Casper nach Hause. Die Straßen waren glatt, das Auto kam von der Straße ab und stürzte eine Böschung hinunter. Meine Eltern waren beide auf der Stelle tot.“
Rebecca schüttelte den Kopf. „Das ist schrecklich. Wie furchtbar für Sie! Hatten Sie Familie in der Gegend, Großeltern oder Tanten und Onkels?“
„Nein. Ich war das einzige Kind von Eltern, die ebenfalls beide Einzelkinder waren. Als ich geboren wurde, waren sie nicht mehr jung, und meine Großeltern starben, als ich noch klein war. Ich kann mich kaum an sie erinnern.“
„Aber was ist mit Ihnen geschehen, wenn da keine Familie war, die Sie hätte aufnehmen können? Wer hat für Sie gesorgt?“
„Was in solchen Fällen normalerweise eben passiert – ich wurde in Pflege gegeben.“
Rebecca hatte Zeitungsberichte über die Situation von Waisenkindern in San Francisco gelesen. Ihr Herz kam bei seiner nüchternen Bemerkung vor Schreck ins Stolpern.
„Hatten Sie gute Pflegeeltern?“
„Nicht, dass ich wüsste. Ich bin dauernd weggelaufen, und kurze Zeit später griff mich die Polizei wieder auf und brachte mich zurück. Erst mit fünfzehn war ich schlau genug, den Bundesstaat zu verlassen, so dass sie mich nicht mehr schnappen konnten.“
„Aber Sie waren erst fünfzehn – wie haben Sie überlebt?“
„Ich habe einem Rancher in Montana erzählt, dass ich achtzehn sei. Er glaubte mir und gab mir einen Job. Ich war schon immer groß für mein Alter und wirkte auch älter. Auf dieser Ranch bin ich bis zu meinem achtzehnten Geburtstag geblieben und anschließend ging ich zur Armee.“
„Und was war mit der Schule?“ Rebecca wusste, dass es überall in Amerika Kinder gab, denen Ähnliches passierte. Aber die Tatsache, dass Jackson sein Schicksal in so beiläufigem Ton erzählte, verwirrte sie. Wie viel hatte er als Junge herunterschlucken müssen, um nun so abgeklärt davon berichten zu können?
„Nachdem ich Wyoming verlassen hatte, habe ich gelesen, was ich in die Finger bekam. Außerdem habe ich bei der Armee zwei Jahre College nachgeholt.“
„Aber einen Abschluss haben Sie nicht?“
„Nein. Wenn ich in der Armee geblieben wäre, hätte ich wahrscheinlich einen, aber ich wollte wieder nach Montana. Ich liebe es, auf einer Ranch zu arbeiten, und um eine Ranch zu leiten, braucht man keinen Collegeabschluss.“
„Was für eine erstaunliche Geschichte“, sagte sie leise, während sie ihn über den Rand ihrer Tasse betrachtete. „Sie sind also ein echter Selfmademan.“
„Nicht ganz“, schränkte er ein. „Ich habe davon geträumt, irgendwann eine Ranch zu besitzen, und habe jeden Cent gespart, um diesen Traum zu verwirklichen. So viel Land wie
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