Ein Leben lang
langen Fahrt hatte sie genug Zeit, sich wieder und wieder daran zu erinnern, dass es ihr verboten war, das, was da zwischen ihnen aufgeflammt war, genauer zu erkunden. Genau, es war verboten, denn sie war mit Steven verlobt. Und dennoch fragte sie sich jetzt zum ersten Mal, ob es womöglich ein Fehler gewesen war, die Leidenschaft aus ihrem Leben zu verbannen. Konnte es sein, dass sie sich etwas ganz Entscheidendes versagte
– etwas, das es lohnenswert machte, ein Risiko einzugehen, weil man dabei unter Umständen viel zu gewinnen hatte? Nie hatte sie es bislang nachvollziehen können, dass sich ihre stets so sachliche und praktische Mutter einst von ihrer Leidenschaft hatte davontragen lassen. Doch nun schien es ihr gar nicht mehr so undenkbar.
Jackson hatte mit Rebecca so dicht neben sich die größten Schwierigkeiten, der Unterhaltung mit Mick zu folgen. Er hätte niemals mit ihr ausgehen dürfen, und vor allem hätte er dem leichtsinnigen Drang, sie zum Tanzen aufzufordern, widerstehen müssen. Weil es alles nur noch schlimmer gemacht hatte. Vom Verstand her wusste er, dass er die Finger von ihr lassen musste, weil sie verlobt war, auch wenn in ihrem Verhalten nichts darauf hindeutete, dass sie ihren Verlobten wirklich liebte. Er war sich sicher, dass er die Signale, die sie aussandte, nicht falsch deutete. Genauso wenig, wie er sich das heftige Knistern einbildete, das stets in der Luft lag, wenn sie sich zusammen in einem Raum aufhielten, auch wenn Rebecca stets so tat, als wäre nichts.
Er kam nicht umhin sich zu fragen, warum sie sich mit einem Mann verlobt hatte, über den sie zwar freundlich, aber nie mit Leidenschaft sprach.
In den folgenden Tagen ging Rebecca wieder dazu über, um Jackson einen möglichst großen Bogen zu machen. Nicht, dass das irgendein Problem gelöst hätte. Aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
Sie wünschte sich, jemanden zu haben, dem sie sich anvertrauen und mit dem sie über ihre verwirrenden Gefühle für Jackson und ihre Zweifel hinsichtlich ihrer Verlobung reden könnte, aber Victoria ins Vertrauen zu ziehen, erschien ihr verfrüht. Und ihre Mutter kam momentan als Gesprächspartnerin ebenfalls nicht in Frage, vor allem, weil Kathleen von der Verlobung mit Steven ohnehin nie begeistert gewesen war.
Die Sommerhitze wurde in den nächsten Tagen immer größer, so dass sich Rebecca veranlasst sah, ihren Tagesablauf zu ändern. Jetzt sattelte sie Sadie bereits kurz nach Sonnenaufgang und kehrte vor neun Uhr morgens nach Hause zurück, um der Gluthitze, die sich bereits am Spätvormittag breit machte, auszuweichen.
Das alte Ranchhaus verfügte über keine Klimaanlage, und obwohl sie ihr Fenster nachts weit offen ließ, schlief Rebecca in den meisten Nächten unruhig. Auch heute wälzte sie sich noch lange, nachdem es im Haus still geworden war, von einer Seite auf die andere.
Bis sie sich schließlich entschlossen im Bett aufsetzte, sich das Laken schnappte, mit dem sie zugedeckt war, und, nach allen Seiten lauschend, auf den Flur hinaustrat. Als alles still blieb, schlich sie die Treppe hinunter, durch die Küche, hinaus auf die Veranda. Dort wickelte sie sich in das Laken ein und setzte sich in einen Schaukelstuhl.
Hier draußen im Freien war es angenehm kühl, anders als im Haus, das die Hitze des Tages in seinen Mauern speicherte. Rebecca stellte ihre nackten Füße auf die Verandabrüstung und begann leise zu schaukeln.
Ein Dreiviertelmond schüttete sein silbriges Licht über der Ranch und den Weiden aus und tauchte die Welt in ein geheimnisvolles SchwarzWeiß. Über dem Land lag eine Stille, die nur hie und da von den Stimmen der Waschbären gebrochen wurde, die sich an der Quelle in dem Hain hinterm Haus zankten. Vögel flogen auf und riefen sich leise Botschaften zu, bevor die Zweige des alten Ahorns raschelten, wenn sie sich darauf niederließen.
Die nächtliche Stille linderte die quälende Unruhe, von der Rebecca erfasst worden war und die jede Nacht ihren Schlaf störte, seit sie mit Jackson im Crossroads getanzt hatte.
Sie wusste, dass ihr Aufenthalt in Montana begrenzt war, dass sie schon viel zu bald wieder in ihr altes Leben nach San Francisco zurückkehren würde. Es war unwahrscheinlich, dass sich ihre und Jacksons Wege je wieder kreuzen würden.
Aber die Sehnsucht, die sie nach ihm verspürte, war wie ein körperlicher Schmerz. Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto stärker wurde der Drang, sich ihm zu nähern.
Mit einem Aufseufzen setzte
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