Ein leises boeses Fluestern
Reißverschluß seiner Jeans auf.
»He!« sagte Clarissa. »Was tun Sie da?«
»Ich ziehe meine Hose aus«, antwortete Cal. »Haben Sie noch nie einen Mann gesehen?« Er setzte seine Brille ab, legte sie vorsichtig auf sein Hemd und sprang nackt ins Wasser. »Mann, das ist phantastisch!« Er schüttelte das Wasser aus seinem dicken braunen Haar. »Komm rein!« rief er Max zu, der am Ufer stand.
Max richtete seine Augen auf Clarissa, die auf dem Ast saß und die Füße ins Wasser baumeln ließ.
»Komm!« Cal bespritzte ihn mit Wasser. Und dann lachte er: »Schließen Sie die Augen, Clarissa, Schätzchen. Der alte Max will sich die Hose ausziehen.« Lachend legte er sich auf den Rücken und sprudelte mit dem Mund Wasser hoch wie ein Springbrunnen. »Nun beeil dich, Sportsfreund. Sie sieht gerade weg.«
Clarissa studierte ihre nackten Füße und schwieg.
Max zog sich bis auf die Unterhose aus und glitt ins Wasser.
»Ist das nicht fein?« Cal plätscherte mit der offenen Hand durchs Wasser.
Max und Cal bespritzten sich und lachten.
»Kommen Sie doch auch ’rein, Schätzchen«, sagte Cal. »Das Wasser ist herrlich.« Er legte sich auf den Rücken und stieß mit den Beinen. Die fliegenden Tropfen zeichneten dunkle Flecken auf Clarissas gelben Rock.
»Hört mal!« sagte sie und setzte sich aufrecht. »Hört ihr es?«
»Was denn?« fragte Max.
»Den Zug. Hört ihr ihn?«
»Was für einen Zug?« fragte Cal. »Es ist Jahre her, daß auf diesen Schienen ein Zug gefahren ist.«
»Bitte hört doch. Er kommt. Es ist eine alte Lokomotive.«
Cal, der sich faul in dem klaren Wasser treiben ließ, warf Max einen vielsagenden Blick zu. »Na klar, sicher fahren hier dauernd Züge vorbei. Diese alten Lokomotiven machen einen ziemlichen Lärm.«
Clarissa hielt ihre Augen auf Max und auf Cals dunkles Profil gerichtet. Cal erzeugte mit den Händen kleine Wellen auf der Oberfläche des Teiches.
Max bot eine Erklärung an: »Es wird bald regnen. Clarissa hat den Donner gehört.«
»Sicher.« Cal drehte sich im Wasser um und sah Clarissa an. »Den ganzen Nachmittag sieht es schon nach Regen aus. Es wird wohl doch Donner gewesen sein.«
Er tauchte unter, packte Clarissas Füße und zog sie von ihrem Weidenast. Sie platschte ins Wasser. Ihr gelber Rock breitete sich um sie aus, das lange Haar bedeckte ihr Gesicht und ihre Schultern wie nasser Seetang.
Max schoß herbei und hielt sie unter den Armen fest. Clarissa trat mit den Füßen, schubste ihn weg und strich sich das Haar aus den Augen. »Ich kann schwimmen. Laß mich los. Ich bin kein Baby.« Sie schwamm mit einigen Zügen ans Ufer und kletterte aus dem Wasser. Ihr gelbes Kleid tropfte. Sie langte nach ihren Sandaletten.
Ohne sich noch einmal umzusehen, rannte sie bachaufwärts und verschwand oben auf dem Abhang in Richtung des Hauses.
»Tut mir leid«, sagte Cal.
Sie stiegen aus dem Wasser.
»Wirklich, es tut mir leid«, wiederholte Cal. »Ich mache immer so dumme Sachen. Ich wollte sie nicht verletzen.« Er trocknete sich mit seinem Unterhemd ab. »Zum Teufel, sie ist ja noch ein Kind.«
»Du hast sie in Verlegenheit gebracht.«
»Ja.« Cal grinste und setzte seine Brille auf. »Wahrscheinlich, weil ich ihr meinen nackten Hintern gezeigt habe. Sie kann von Glück sagen, daß wir sie nicht auch ausgezogen haben.«
Sie lachten und boxten sich, und dann zogen sie sich wieder an. Max fühlte sich wieder glücklich und frei. Es war schön, mit Cal zusammen zu sein und an Kindheitserinnerungen zu denken. Er hatte zu lange versucht, überhaupt nicht an diese Zeiten zu denken.
»Hört sie oft Züge?« Cal fuhr mit einem Kamm durch sein Haar.
»Es gehört mit zu der Geschichte von den Zwillingen … Du weißt schon. Sie hört die Züge, die hier vorbeifuhren, als die Zwillinge noch lebten und in dem Haus wohnten.«
Cal starrte ihn an. »Du meinst, sie hört das tatsächlich? Sie hört Dinge wie hundert Jahre alte Lokomotiven?«
»Ja.«
»Und sieht sie …? Ich meine, sieht sie die beiden …?«
»Sie sieht sie«, antwortete Max ruhig und sah Cal gerade in die Augen. »Und manchmal spricht sie mit ihnen.«
Cal lachte. »Sie hat dich angeschwindelt, Maxie.«
»Ich glaube, ich wüßte, was ich zu tun hätte, wenn sie mich anschwindeln würde. Zuerst dachte ich ja, sie habe es erfunden.«
»Wann war das?«
»Im Mai … An ihrem Geburtstag fing es an. Und seitdem sieht sie sie, und sie erzählen ihr allerhand.«
»Was zum Beispiel?«
»Wie es hier aussah, als sie
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