Ein leises boeses Fluestern
sich ihr Kissen zurecht. »Dann bekommen wir eine Abkühlung.«
Clarissa fragte: »Kann ich noch ein Stück Torte haben?«
»Schneide dir eins ab, aber ein kleines.«
Clarissa rannte ins Haus. Ihr weizenblondes Haar flatterte hinter ihr her. Auf dem Schieferdach saßen Ringeltauben. Sie flatterten und putzten sich das Gefieder.
»Heute scheint sie ganz in Ordnung zu sein«, brummte Louise.
Max sah sie überrascht an. »Hast du dir Sorgen gemacht?«
»Ich höre das Kind nachts herumwandern. Manchmal gehe ich in den Flur und sehe die Treppe hinunter, und dann sehe ich sie in der Diele auf und ab laufen, immer vorbei an den Türen zu dem Doppelzimmer.«
Louise richtete ihren Blick auf das Haus und die große Eiche, die auf die Seitenwand und das Fenster im zweiten Stock komplizierte Schattenmuster warf. »Es ist ein scheußliches Gefühl, kann ich dir sagen, wenn ich sehe, wie sie mitten in der Nacht ganz allein in der Diele auf und ab läuft.«
»Allein?«
»Natürlich allein. Du weißt ganz genau, daß niemand bei ihr ist.«
»Hast du heute nacht irgend etwas gehört?«
»Es war den ganzen Abend still«, antwortete Louise. »Ich habe keinen Laut gehört.«
»Sie waren hier … in ihrem Schlafzimmer.«
Louises Gesicht versteinerte. Ihre Lippen bildeten einen farblosen Strich. »Du hast sie gesehen?«
»Ihre Schatten … und sie machten Geräusche. Clarissa wachte weinend auf.«
Louise starrte ihn eiskalt an. »Das wundert mich gar nicht. Du bist in ihr Schlafzimmer gegangen?«
Max stellte seinen Teller auf den Boden und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab.
»Du bringst uns noch alle in Teufels Küche!« Louise packte seinen Arm. »Ich will dir etwas sagen, junger Mann. Wenn in diesem Haus irgend etwas Unrechtes vorgeht, laufe ich geradenwegs zur Polizei.« Sie ließ seinen Arm los, lehnte sich zurück und lächelte. »Wir sind Freunde, Max, und gern täte ich es nicht. Aber was glaubst du, was wird man von deinen seltsamen Geschichten halten … über Dinge, die nie jemand zu sehen bekommt? Willst du, daß man dich für verrückt hält?«
Louise sammelte die Teller ein. »Halt dich da raus, Max. Wenn die Stackpoles zurückkommen, können wir gehen, und niemand kann uns einen Vorwurf machen.«
»Lou…« Seine Stimme brach vor Erregung. »Du weißt, daß das Haus gefährlich ist … Du weißt, daß mit Clarissa etwas nicht stimmt. Warum sollte sie sonst des Nachts in der Diele herumwandern?«
»Es kommt häufiger vor, daß jemand schlafwandelt.«
»Sie braucht unsere Hilfe.«
»Auf einmal? Und was für eine Art von Hilfe kann unsereins ihr geben? Wenn du noch ein Wort über diese Sache sagst, gehe ich für immer, und dann kannst du zusehen, wie du den Stackpoles das Ganze erklären willst.«
Sie marschierte auf das Haus zu, eine stämmige Gestalt in dicken Strümpfen und einem dunkelblauen Baumwollkleid und einer lohfarbenen Schürze. Sie erreichte die untere Veranda, und Max hörte die Schritte ihrer schweren Schuhe, bevor sie die Fliegendrahttür öffnete. Es schoß ihm durch den Kopf, daß man sich bei Louise auf eins verlassen konnte: Sie trug immer feste Schuhe.
XVII
Der Himmel bewölkte sich, der Wind erstarb. Die Luft war unbewegt, aber sie roch nach Regen. Clarissa kam über den Rasen. Sie trug ein in eine Papierserviette eingewickeltes Stück Beerentorte.
»Was ist denn mit Louise los?« fragte sie und setzte sich neben Max auf die Steine.
»Was hat sie gesagt?«
»Nichts. Aber als ich in der Diele an ihr vorbeikam, nahm sie mich in den Arm und gab mir einen Kuß.«
»Sie weiß, daß du deine Mutter vermißt.«
»So sehr auch wieder nicht.« Clarissa reichte ihm das Stück Torte. »Magst du?«
»Nur die Hälfte.« Max nahm sich etwas und gab ihr den Rest zurück. »Louise hat dich sehr gern.«
Clarissa aß die Torte auf und wischte sich den Mund mit der Papierserviette. »Nein, sie hat mich nicht gern. Sie tut nur so. Es gehört zu ihren Pflichten. Sie wird dafür bezahlt, daß sie sich um mich kümmert.«
Max sah sie erstaunt an.
»Aber mir macht das nichts aus«, fuhr Clarissa fort. »Ich hab’s dir doch schon gesagt … Langweilige Leute haben keine Bedeutung. Louise wird fortgehen, wenn meine Eltern nach Hause kommen, und dann werden wieder andere Dienstboten eingestellt werden. Mit Ausnahme von dir«, sagte sie leise. »Ich will nicht, daß du fortgehst.«
»Warum sollte Louise fortgehen?«
»Sie haßt dies Haus, und sie mögen sie auch nicht. Das
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