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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodus Carroll
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kleine Tafeln.«
    Max’ hob die Briefbündel hoch und dann die beiden Tafeln.
    »Sind die nicht hübsch?« Clarissa berührte die Tafeln. »Sie haben so schöne Holzrahmen. Aber Kreide ist nicht da. Sie haben keine Kreide mit zu den Tafeln gepackt. Ich habe herausgefunden, wo sie ihren Unterricht hatten. Du weißt, ihr Vater unterrichtete sie, anstatt sie zur Schule zu schicken.«
    »Wo?«
    »Auf der unteren Veranda. Den ganzen Sommer hatten sie ihren Unterricht auf der unteren Veranda, und zu anderen Jahreszeiten auch, wenn es warm genug war.«
    »Woher weißt du das?«
    »Es steht in einem von den Briefen.«
    »Hast du sie gelesen?«
    »Na klar. Ich hatte Angst, Louise würde mich finden und Theater machen. Deshalb versteckte ich mich in der Wäschekammer und las sie sehr sorgfältig.«
    Max saß da, hielt die Briefe in der Hand und sah sie an.
    »Nicht alle«, berichtigte sie sich. »Aber einige. Dann bin ich herausgekommen, weil ich wollte, daß du sie auch lesen sollst.« Ihre Wangen brannten vor Hitze und Aufregung. »Stell dir das vor! Diese Briefe haben all die Jahre dagelegen und darauf gewartet, daß ich sie finde.« Sie kicherte. »Na, so etwa in der Art war es doch. Ich habe einen Schatz gefunden – einen ganz richtigen Schatz.«
    Das alles durchdringende, schwindlig machende Sonnenlicht schien die Schatten auszulöschen. Max fühlte die heiße Luft über sein Gesicht strömen. Seltsamerweise wurde es ganz still. Sogar die Vögel hörten auf zu singen.
    Nichts war mehr zu hören als Clarissas aufgeregte Stimme.
    »Riech mal an dem Papier. Es riecht phantastisch, ganz alt und muffig. Das Papier zerbröckelt an einigen Stellen, und es ist ganz braun. Sie haben sogar braune Tinte benutzt. Die Briefe, die sie geschrieben haben, gefallen mir besser als die in den beiden anderen Bündeln. Es sind auch alle Briefe dabei, die sie an ihre Mutter geschrieben haben.«
    Schweißbächlein rannen von Clarissas Haaransatz. Sie wischte sich das Gesicht auf ihrem Ärmel ab.
    »Einige sind die Briefe, die sie in der Laterne versteckt haben. Weißt du noch? Ich habe dir doch erzählt, wo sie die Nachrichten an ihre Mutter versteckt haben.«
    Max nickte schweigend.
    »Sie haben die wundervollsten Dinge getan. In einem Brief heißt es, daß der Junge seiner Mutter zu Weihnachten einen silbernen Handwärmer schenkte. Er steckte eine kleine glühende Kohle hinein, und er war mit Samt überzogen, so daß sich seine Mutter nicht die Hände verbrennen konnte, und sie trug ihn in ihrem Muff.«
    Clarissa hob das Haar von ihrem Nacken. Ihre Worte überstürzten sich vor Aufregung.
    »Im Winter hatten sie Tanzstunde, und der Tanzlehrer kam zu ihnen ins Haus. Hierher. In unser eigenes Haus. Das war der Winter, in dem ihr Onkel zu Besuch kam. Sie tanzten in dem Doppelzimmer, und ihre Mutter öffnete die große Flügeltür, weil das Spinett in einem großen Raum besser klang. Sie lernten Walzer und einen Tanz, den man Mazurka nennt – ich glaube, so hieß das Wort.«
    Clarissa beugte sich vor und ergriff Max’ Hände. »Und weißt du, was sie beim Tanzen sagten? Eins, zwei, drei, Punkt!« Sie lachte und ließ seine Hände los. »Einmal war ihre Mutter krank, und sie legten Baumrinde auf die Zufahrt, damit die Kutschen keinen Lärm machten.«
    »Sie schrieben, daß ihre Mutter krank war?« fragte Max.
    »Nein. Ich glaube, diesen Brief hat ihr Onkel geschrieben. Seine Briefe haben wunderschöne Marken, weil er nämlich damals in Florenz war. Sie sind herrlich.«
    Clarissa streifte das Band von einem der Päckchen ab, faßte ihr langes Haar im Nacken zusammen und knüpfte das Band darum.
    Max machte eine Bewegung, als wolle er sie daran hindern. »Binde dir das Band nicht ins Haar.«
    »Warum nicht?«
    »Es ist … nicht sauber.«
    »Doch, es ist sauber. Das ist nur seine Farbe. Alle diese Bänder sind schwarz.«
    Sie streckte die Hand aus, zog die Briefe, die Max lose in der Hand hielt, auseinander und wählte einen kleinen braunen Umschlag aus. »Das ist der, den ihr Onkel geschrieben hat, als er in Florenz war. Sieh dir mal die Marke an, Max. Ist sie nicht phantastisch? Sieht aus wie Napoleon auf einem weißen Pferd. Natürlich ist sie jetzt braun vor Alter, aber … sag mal, glaubst du, daß sie wertvoll ist?«
    »Die Marken sind wahrscheinlich sehr wertvoll.«
    »Einige der Briefe konnte ich nicht lesen, weil sie auf Italienisch geschrieben sind.«
    Max legte die Briefe in die Truhe und wischte sich die schwitzenden Hände an

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