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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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IT. – Stichwort Wirtschaftswachstum: Ich habe mehrere Schiffe draußen in der Bucht ankern sehen. Ist das normal?

Bei seiner ersten China-Reise 1975 lernte Schmidt außer Peking nur Nanjing und Urumtchi, die Hauptstadt der Provinz Xinjiang im Westen des Landes, kennen.
    © Bundesbildstelle

LEE Jachten?
    SCHMIDT Nein, nein, große Schiffe. Keine Containerschiffe, aber große Schiffe.
    LEE Oh, das sind Passagierschiffe.
    SCHMIDT Das glaube ich nicht.
    LEE Die großen Handelsschiffe fahren nicht in die Bucht. Als wir die Piers an der Küste bauten, waren sie für Touristen gedacht.
    SCHMIDT Es sind Schiffe von vielleicht 6000 oder 12000 Bruttoregistertonnen. Sie scheinen auf etwas zu warten, und ich versuche herauszufinden, worauf sie warten.
    LEE Es könnten Schiffe mit Heizöl sein, die darauf warten, in den Hafen einfahren zu dürfen. Sie müssen für jede Einfahrt in den Hafen eine Gebühr entrichten. Der Hafen ist ziemlich effizient …
    SCHMIDT Ist er überfüllt?
    LEE Ja, wir haben einen viel frequentierten Hafen. Außerdem werden auch Schiffe repariert.
    SCHMIDT Und man muss auf die Reparatur warten?
    LEE Ja, die Ankerplätze in Singapur sind begrenzt.
    SCHMIDT Glückliches Singapur!
    SCHMIDT Sie sind 1923 geboren, und ich bin 1918 geboren. Kein großer Unterschied.
    LEE (lacht) Ich habe in keinem Weltkrieg gekämpft.
    SCHMIDT Aber wir habe beide unsere Frauen verloren.
    LEE Ja, das ist ein großer Verlust. Es ist, als ob die Mittelstange eines Zeltes zerbrochen wäre.
    SCHMIDT Während meiner Amtszeit hat meine Frau ihr Leben mehr oder weniger von dem meinen getrennt. Sie wurde eine leidenschaftliche Botanikerin und Forscherin. Sie hat drei Pflanzen entdeckt, die der Wissenschaft bis dahin unbekannt waren. Und sie hat einen Skorpion entdeckt, den man noch nicht kannte. Eine Orchidee und ein Skorpion sind nach ihr benannt. Was hat Choo getan?
    LEE Sie hat mir bei meiner Arbeit geholfen.
    SCHMIDT Hat sie an Ihrer Stelle nachgedacht oder parallel zu Ihren ihre eigenen Gedanken entwickelt?
    LEE (lacht) Sie hat meine Entwürfe korrigiert.
    SCHMIDT Das hat Loki gelegentlich auch getan. Wenn ich zum Beispiel eine wichtige Rede im Parlament zu halten hatte. Wenn wir unser Leben im Amt zusammenfassen müssten, wie würden Sie es beschreiben, Harry?
    LEE Nun, als Erstes würde ich sagen, dass ich mehr Glück hatte als andere. An kritischen Wendepunkten lachte mir das Glück. Singapur hätte leicht auch zusammenbrechen können. Aber die weltweite Integration, die Globalisierung, ermöglichte es uns, eine gewisse Rolle zu spielen. Als wir Anfang der sechziger Jahre aus Malaysia hinausgedrängt wurden, hatten wir unser Hinterland verloren.
    SCHMIDT Wie viele Menschen lebten bei Ihrem Amtsantritt in Singapur?
    LEE Zwei Millionen, heute sind es fünf Millionen.
    SCHMIDT Wenn ein Einwohner von Singapur gefragt wird, woher er kommt oder welche Nationalität er besitzt, was wird er antworten?
    LEE Ich bin Singapurer.
    SCHMIDT Seit wann?
    LEE Ich würde sagen, seit zwanzig oder dreißig Jahren.
    SCHMIDT Also nicht von Anfang an?
    LEE Ja. Aber er würde auch eine Klammer hinzufügen: Ich bin Singapurer, in Klammern Chinese, in Klammern Inder, in Klammern Malaie und so weiter. Das können wir nicht auslöschen. Das ist eine Realität. Es gibt einige gemischte Ehen, aber sie machen nur einen sehr geringen Anteil der Bevölkerung aus.
    SCHMIDT Was waren die wichtigsten Ereignisse in Ihrem Leben?
    LEE Als Erstes die japanische Besetzung Singapurs 1942 und der Zusammenbruch des britischen Empire. Dass es den Japanern in weniger als vierzig Tagen gelungen ist, ein Empire zu zerstören, das tausend Jahre Bestand haben sollte. Das zweite prägende Ereignis war der Schock darüber, aus einer Insel eine Nation ohne Hinterland machen zu müssen. Wir wurden aus Malaysia hinausgeworfen, weil wir das Gleichgewicht der Rassen störten.
    SCHMIDT Hat man Sie wegen des hohen chinesischen Bevölkerungsanteils in Singapur ausgeschlossen?
    LEE Das war der Grund. Für uns hieß es: sich rühren oder verlieren. Dabei hat uns die Globalisierung geholfen: Die Welt wurde unser Hinterland.
    SCHMIDT Die beiden wichtigsten Ereignisse in meinem Leben waren erstens, dass ich im Laufe des Jahres 1944, etwa im September, zum ersten Mal begriff, dass ich einer verbrecherischen Regierung diente. Ich war seit 1937 Soldat, als Wehrpflichtiger, aber es dauerte fast acht Jahre, bis ich erkannte, dass es sich um ein verbrecherisches Regime handelte. Das war ein

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