Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)
Schiffe.
SCHMIDT Nein, die Größe von Containerschiffen wird er nicht beschränken. Die Containerschiffe werden einfach um die Südspitze Südamerikas herumfahren. Sie werden nicht durch den Panamakanal fahren. Und sie werden ziemlich langsam fahren, etwa 20, 21 Knoten, vielleicht sogar noch weniger, um …
LEE Treibstoff zu sparen.
SCHMIDT Ja, Diesel. Und der Rest von uns wird auf Kreuzfahrtschiffen sein Vergnügen suchen. (Beide lachen.)
MATTHIAS NASS Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war viel von Regulierungen die Rede. Alle waren sich darin einig, dass sie nötig seien. Ist man irgendwo ernsthaft darangegangen, die Finanzmärkte zu regulieren, so wie Sie es für notwendig erachten?
LEE Nach der Pleite von Lehman Brothers hat man versucht, die Auswüchse zu beschneiden. Aber ich wiederhole meine ursprüngliche Überzeugung, dass das amerikanische System des freien Marktes darin besteht, dass der Sieger alles bekommt. Also kehrt man zu den Exzessen zurück.
SCHMIDT Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ist keine tatsächlich wirkungsvolle Regulierung eingeführt worden, nicht eine einzige. Und jetzt philosophiert man schon über die Möglichkeit einer Double-dip-Rezession – das heißt, eine gefährliche Rezession leitet über in eine andere gefährliche Rezession. Für uns Europäer, vielleicht mit Ausnahme der Briten, wird die Frage lauten, ob wir versuchen sollten, uns von den USA zu distanzieren.
LEE Sich zu distanzieren – wie soll das funktionieren in einer globalisierten Wirtschaft? Wir exportieren in die Welt, und die Welt exportiert zu uns. Eigentum überschreitet Grenzen, Erfindungen werden gemacht, man bezahlt für Patente und Lizenzen, um neue Erfindungen nutzen zu können – rund um die Welt.
SCHMIDT Nehmen wir Singapur als Beispiel. Es ist Teil der globalisierten Wirtschaft. Aber es hat nicht diesen Unsinn mitgemacht, mehr zu essen, als es verdient. Im Fall Singapurs ist die Bilanz in Ordnung.
LEE Ja. Aber wir glauben auch nicht, dass wir der Motor der Weltwirtschaft sind, und folglich leben wir im Rahmen unserer Möglichkeiten. Die Amerikaner hingegen glauben, sie seien der Motor der Weltwirtschaft, und sie kommen damit durch. Ihre Schulden sind allesamt in Dollar aufgenommen, also können sie den Chinesen ruhig ein paar Billionen Dollar schulden – die Chinesen halten heute etwa dreitausend Milliarden Dollar –, denn sie brauchen diese Dollar nur zu drucken und den Chinesen zu geben; dafür nehmen sie eine Inflation hin.
SCHMIDT Ich denke, die Chinesen haben einen Fehler begangen, dass sie so viele Dollar angehäuft haben. Dass sie seit etwa zwanzig Jahren solche Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz produzieren, anstatt mehr für ihre eigene Bevölkerung zu tun, war nicht wirklich unvermeidlich.
LEE Für ein armes Land, das so lange am Boden lag, ist die Chance, wieder reich zu werden, allzu verlockend. Für eine Regierung ist es wichtiger, selbst reich zu werden, als das Land reich werden zu lassen, weil man dann den Armen mehr zuteilen kann.
SCHMIDT Ich vermute, Deng wäre erstaunt über die Entwicklung, die China seit seinem Tod durchgemacht hat. Ich glaube, er hatte keine Vorstellung davon, wie weit die von ihm eingeleiteten Reformen gehen würden.
LEE Das würde ich nicht sagen. Wie ich schon erzählt habe, besuchte er Singapur und sah ein Land ohne Ressourcen, das prosperierte, weil es offen war für Investitionen und Handel. Nach diesem Vorbild schuf er die erfolgreichen Sonderwirtschaftszonen. Zhu Rongji machte dann aus dem ganzen Land eine Sonderwirtschaftszone und führte es in die Welthandelsorganisation. Meiner Meinung nach hätte Deng allerdings nicht voraussehen können, dass durch diesen Beitritt zur WTO das ganze Land für ausländische Investitionen geöffnet und ein freier Kapitalfluss nicht nur ins Land, sondern auch aus dem Land heraus möglich werden würde.
SCHMIDT Ich hielt den Zeitpunkt, zu dem China unter Zhu Rongji Mitglied der Welthandelsorganisation wurde, für zu früh. Man hätte warten sollen, bis China willkommen gewesen wäre und nicht um Aufnahme hätte kämpfen müssen. Als ich von meiner damaligen Chinareise nach Deutschland zurückkehrte, hatte ich jedoch begriffen, dass Zhu die Mitgliedschaft in der WTO als Instrument benutzte, um seinen Willen in China selbst durchzusetzen.
LEE Vollkommen richtig. Um die Wirtschafts- und Industriestruktur in China zu verändern.
SCHMIDT Das hätte aber nicht notwendigerweise zu einem Überschuss
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