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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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mit, dass meine Mutter am Nachmittag gestorben war.» Maude stieß ein flaches Lachen aus, das klang, als würde etwas zerbrechen. «Nur um zu betonen, dass ich wirklich keine Heldin bin, Orla, muss ich hinzufügen, dass ich mich geweigert hatte, sie zu besuchen, als sie im Sterben lag.» Mit einem halb flehenden, halb trotzigen Blick sah sie plötzlich auf. «Und wie sympathisch bin ich dir jetzt noch?»
    «So sympathisch», sagte Orla, «wie vor fünf Minuten auch. Und damit mehr als ungefähr jeder andere auf der Welt.» Orla fühlte sich ganz weich, ganz warm. Sie hatte sich nie vorgestellt, dass sie ihre Rollen jemals so vollkommen tauschen würden. «Es wird Zeit, dass du dir selbst verzeihst, meinst du nicht?»
    «Ich hätte sie besuchen müssen.» Maude wischte Orlas Mitleid mit einer Handbewegung zur Seite, als wolle sie eine Fliege verjagen. «Es hätte mir keinen Zacken aus der Krone gebrochen, mich zu verabschieden, ihr zu sagen, dass ich sie verstand.»
    «Aber du hast sie nicht verstanden», erinnerte Orla. Sie war fest entschlossen, Maudes Fürsprecherin zu sein, da Maude selbst offenbar vor langer Zeit aufgegeben hatte, sich zu verteidigen. «Es wäre unaufrichtig gewesen, und das bist du nie. Im Nachhinein kommt es dir anders vor, aber das Nachhinein hat immer alle Trümpfe in der Hand. Wenn du dich anders verhalten hättest, würde ich hier vielleicht nicht sitzen. Stell dir das vor. Ich hätte meine Maudie nie kennengelernt.»
    «Und ich meine Orla.» Maude zögerte. «Meine Orlie», fügte sie hinzu, und zum ersten Mal seit dem Beginn ihrer Unterhaltung blitzte Schalk in ihren Augen auf.
    «Mir scheint, es gibt eine offensichtliche und direkte Verbindung zwischen diesem Anruf und deiner Attacke.» War das der passende Begriff dafür?, fragte sich Orla. Maude reagierte nicht mit Rückzug, sie nahm also an, dass er genügte. «Auch wenn du dich vor dieser Tatsache drückst. Vermutlich möchtest du nicht glauben, dass deine Mutter und dein altes Leben immer noch so viel Einfluss auf dich haben.»
    «Haben sie auch nicht», sagte Maude trotzig. «Ich habe nicht einmal zurückgeblickt, seit ich gegangen bin.»
    «Aber sie war deine Mutter», beharrte Orla sanft. Nur ungern führte sie Maude auf diesen dornigen, überwachsenen Pfad, aber sie musste wohl. «Wenn du dich deiner Schuld stellen würdest …»
    «Ich TRAGE keine Schuld!» Sie hatte Maude noch nie so laut sprechen hören. Es konnte nicht als Brüllen bezeichnet werden – jedenfalls nicht von jemandem, der in einem Haus aufgewachsen war, in dem schon die sanfte mütterliche Ankündigung des Mittagessens klang wie Boadiceas Schlachtruf –, aber Orla war trotzdem schockiert.
    Die Sache jetzt ruhen zu lassen war jedoch ausgeschlossen.
    «Du WILLST keine Schuld tragen», pflichtete Orla ihr bei. «Ein unnachgiebiger, strenger Teil von dir besteht darauf, dass du das Falsche getan hast. Ich dagegen denke, du warst einfach nur menschlich, fehlbar. Und eine weise alte Frau hat mir einmal gesagt, wir dürften alle Fehler machen.»
    «Klingt nach einem dummen alten Huhn», murmelte Maude.
    «Manchmal», sagte Orla düster, «ist sie genau das. Aber meistens ist sie, wie ich schon sagte, sehr weise.»
    «Und sehr alt.»
    «Auch das. Es steht ihr aber gut.» Orla nippte an ihrem Tee. Er war, wie ihr Vater gesagt hätte, stark genug, um schlafende Hunde zu wecken. Sie ließ die Stille wirken und wurde für ihre Zurückhaltung belohnt.
    «Ich habe aber natürlich nicht gleich aufgegeben. Am selben Tag habe ich es später noch mal versucht. Als es dunkel wurde, dachte ich:
Aha! Vielleicht jetzt!
Aber nein. Die körperlichen Symptome wurden allenfalls schlimmer. Noch brutaler allerdings war, wie mein Hirn aufweichte. Es fühlte sich schrecklich an, als wären meine Gedanken aus Wackelpudding, ich konnte spüren, wie sie schmolzen. Nichts war mehr fest, nichts war mehr sicher.»
    Maude sprach immer schneller, erlebte ihren Schrecken von neuem. Orla schoss der Gedanke durch den Kopf, sie davon abzuhalten. Stattdessen jedoch beobachtete sie und hörte zu und vertraute auf die heilende Kraft einer umfassenden Beichte.
    «Das Einzige, was half, war, auf Händen und Knien wieder nach oben zu krabbeln. Am Abend des ersten Januar hatte ich kapituliert.»
    Als befände sie sich auf einmal wieder auf festerem Boden, sagte Maude nun energischer: «Ich machte mich daran, alles so zu arrangieren, dass meine neue Lebensweise angesichts der Einschränkungen so einfach

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