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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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wie Steine aus dem Mund.
    «Aber doch nicht vor mir.» Orla war froh, von der gebückten Gestalt ein Lebenszeichen zu erhalten. «Für mich wirst du immer eine Heldin sein, egal was passiert.»
    Damit hatte sie es geschafft, Maude erwachte zum Leben. Mit einem verächtlichen Schnauben flog ihr Kopf hoch. «Ich bin für niemanden eine Heldin. Und ausgerechnet du brauchst bestimmt keine.»
    Orla versuchte ihr Eisen zu schmieden, solange es noch heiß war. «Wann hat es angefangen? Wie lange bist du schon …» – wie sollte sie das nennen? – «Wie lange bist du schon im Haus?»
    Maude zuckte ergeben mit den Schultern. «Ungefähr dreizehn Jahre.»
    Orla ächzte unwillkürlich auf, und Maude zuckte zusammen. «Wie ich schon sagte, Liebes, es ist beschämend.»
    «Wie hat es denn angefangen?» Orla drückte die Hand, die sie immer noch in der ihren gefangen hielt. «Erzähl mir einfach alles, was damit zu tun hat, in jeder Hinsicht. Ich habe die ganze Nacht Zeit.»
    «Und Marek?»
    «Ist in Oxford und sieht sich ein potenzielles Projekt an.» Und Anthea, dachte sie, sitzt vermutlich am offenen Fenster und rezitiert aus Sims Tagebuch. Die andere Orla war stark, aber ihre Macht hatte Grenzen: Maude brauchte sie jetzt. «Ich gehöre ganz dir. Wo warst du, als du das letzte Mal draußen warst?» Orla stand auf und setzte Teewasser auf.
    «Das ist leicht. Das war ein kleiner Spaziergang zum Schuster neben der U-Bahn-Station. Ist der immer noch da? Ich besaß ein geliebtes Paar roter Schuhe, die brauchten neue Absätze. Ich habe diese Schuhe nie wieder gesehen, weil ich bei meiner Rückkehr die Haustür hinter mir geschlossen und nicht mehr aufgemacht habe.»
    «Was ist zwischen dem Schuster und zu Hause passiert?» Orla lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Ofen.
    «Nichts Schlimmes, falls du darauf abzielst. Ich erinnere mich genau, wie schneidend kalt es war, ein schöner, trockener Wintertag. Es war der letzte Tag des Jahres 1999 , der Ausläufer des alten Jahrhunderts. Und als ich die Treppe heraufkam, klingelte das Telefon.»
    Maude sah sich um, als fiele ihr plötzlich etwas auf.
    «Es klingelte genau in diesem Zimmer. Es stand auf der Kommode da. Für den nächsten Morgen hatte ich geplant, das Viertel abzulaufen, das ich mir fünf Jahre zuvor ausgesucht hatte. Ein Siegesmarsch, wenn du so willst. Ich hatte vor, bei Sheraz vorbeizusehen – er hatte natürlich geöffnet – und dann bis zum Park zu gehen, um das neue Jahrhundert einzuläuten. Ich zog meinen Mantel an, den Schal, suchte mir eine Mütze aus.»
    Maude blickte an Orla vorbei und führte die passenden Gesten aus.
    «Handschuhe. Als ich die Treppe hinunterging, wurde ich langsamer. Langsamer und langsamer, bis ich die Wand entlangschlich und mir mit den Händen den Weg ertastete. Und mein Atem …» Maudes Hand flog an ihren Hals. «Er war irgendwo tief in mir drin gefangen, als wäre ich verstopft. In meinem Hirn knallte es wie in einer Popcornmaschine, ich war zu keinem sinnvollen Gedanken fähig. Töricht dachte ich:
Wenn ich draußen bin, geht es mir besser, die frische Luft wird mir guttun
. Ich fragte mich, ob es sich so anfühlte, verrückt zu werden, oder ob ich einen Herzinfarkt hatte oder einen Hirnschlag oder beides auf einmal. Ich legte meine Hand auf den Türgriff, und alles wurde klar. Das
Draußen
verursachte diesen Aufruhr.»
    Orla schwenkte die Teekanne mit heißem Wasser aus und war froh, etwas zu tun zu haben. Sie wollte keinesfalls diese zweite Geschichte von Maude unterbrechen, die sie noch niemals jemandem erzählt hatte.
    «Sobald ich ein paar Schritte zurücktrat und mich umdrehte, wurde mein Atem wieder ruhiger. Mein Herz klopfte zwar noch wie wild, aber ich konnte wieder einen Gedanken fassen. Um es auszuprobieren, drehte ich mich erneut um und ging auf die Tür zu – es war nur eine Tür, Orla, dieselbe Tür, durch die ich schon tausend Mal gegangen war. Sobald ich mich zu ihr umdrehte, rebellierte mein ganzes Ich. Da wusste ich, selbst wenn das Haus in Flammen gestanden hätte, wäre ich die Treppe wieder hinaufgegangen. Etwas Namenloses und Niederträchtiges wartete da draußen auf mich.»
    Das Leben, dachte Orla. Sie goss zwei Tassen honiggesüßten Tee ein und setzte sich wieder. «Worum ging es bei dem Anruf? Am Abend zuvor?»
    «Das hängt nicht zusammen. Bitte, Liebes, spiel nicht die Hobbypsychologin.»
    «Wer war am Telefon?»
    «Mein Anwalt.» Maude spielte mit dem Henkel ihrer Tasse. «Er teilte mir

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