Ein letzter Brief von dir (German Edition)
gegangen. Kein Treffer, nicht versenkt. Und jetzt tschüs, verpiss dich in dein Kuhkaff.»
Anthea war offenbar eine ebenso hartnäckige Lügnerin wie Sim.
Seit ihr Verhandlungsgeschick in der Grundschule von Tobercree gestählt worden war, lautete Orlas erste Regel:
Gib niemals auf
. «Ich glaube dir nicht. Und ich gehe nicht ohne das Tagebuch. Du verdienst es nicht. Letztes Jahr um diese Zeit hast du mit ihm telefoniert. Als ich ins Zimmer kam, hat Sim klassisch reagiert – gelacht, um euer Gespräch zu unterbrechen und dich diskret wissen zu lassen, dass ich im Raum war. Sim tat so, als hätte er mit Reece gesprochen, aber nur eine Geliebte ruft an Silvester um Mitternacht an. Die ganze Zeit war er kalt und abweisend zu mir. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Aber ich habe ihm nicht die Pistole auf die Brust gesetzt, weil wir so nicht miteinander umgegangen sind. Dann hat er in seiner Karte alles gestanden, der Karte, von der ihr alle gesagt habt, ich soll sie verbrennen.»
«Du hast sie verbrannt», flüsterte Anthea.
«Nein.» Orla genoss Antheas Überraschung. Sie war Reece dankbar, dass er zur Abwechslung einmal eines
ihrer
Geheimnisse für sich behalten hatte. «Darin hat er mir geschrieben, dass er sich in eine Frau verliebt hatte, die ich kannte, eine niveauvolle Frau, die ihm das Leben bieten konnte, das er sich wünschte.»
Anthea schüttelte mit großen Augen den Kopf. «Du armes kleines Würstchen. Das nach seinem Tod lesen zu müssen. Das ist grausam.»
«Sim wusste ja nicht, dass er sterben würde.»
Verteidige ich ihn etwa? Vor Anthea?
«Lass uns diese Farce beenden. Ich werde nie wieder mitten in der Nacht zu deinem Fenster hochstarren. Das ist vorbei. Weil ich sehe, wofür ich hergekommen bin.» Orla deutete auf den Fußboden neben Antheas bestrumpften Fuß.
Unter einem verknoteten Haufen zerdrückter Gucci- und Prada- und McQueen-Kleider lugte ein ledergebundenes Buch hervor.
«Das da?» Anthea zog es hervor und legte es sich auf den Schoß. «Das willst du haben? Mein Gott, bist du ein Kleingeist.» Sie warf das Buch zum Bett hinüber. Es landete fett und schwer neben Orla, die von Antheas sofortiger Kapitulation beinahe ein bisschen erschrocken war.
Orla streckte die Hand aus und berührte vorsichtig das braune Leder. Sie musste sich zwingen, sich wieder auf Antheas Worte zu konzentrieren.
«Bin ich darin genannt? Hat er meinen Namen in die Karte geschrieben?»
Orla ging in Gedanken den Text der Karte durch. Sie blinzelte. «Nein.»
«Und weißt du, wieso nicht, Einstein? Weil er nicht mich gemeint hat. Aber ich bin froh, dass er gestanden hat. Ich habe ihm gesagt, dass er es tun muss. Ja.
Ich
. Die Hure von Babylon war auf deiner Seite. Du kannst mir glauben oder nicht, ich sehe nicht gern Beziehungen zerbrechen. Wenn eine Ehe im Show-Business ein paar Jahrzehnte gehalten hat, bedeutet das, dass beide Seiten über die eine oder andere Untreue hinweggesehen haben. Aber typisch Sim, er musste wieder einen Schritt weiter gehen. Er hat auf jedem Vögelchen am Set Fingerabdrücke hinterlassen. Deswegen war Sim so sauer auf mich. Ich hatte gedroht, es dir zu sagen, wenn du rüberkämst. Ich hatte das Gefühl, du solltest wissen, worauf du dich einlässt mit einem berühmten Mann an deiner Seite. Lieber Gott, Mädchen, wusstest du nicht, dass dein Freund ein Gigolo war?»
Orla antwortete nicht. Sie hielt das Tagebuch an ihre Brust gedrückt.
«Nach dem traditionellen Proben-Fick habe ich Sim nie wieder angefasst. Auf meine Ehre. Abgesehen von vielem anderen konnte ich mit Sim allein schon wegen all dem Alkohol und den Drogen nicht viel Zeit verbringen. Ich gehe nicht zurück in den Entzug, Schätzchen, für niemanden.»
«Dann erklär mir, was seine Eltern da unten machen.» Die Erkenntnis, dass die Valentinskarte keinen Namen nannte, hatte Orla erschüttert – offenbar war sie von Antheas Schuld so überzeugt gewesen, dass sie sie in Gedanken umgeschrieben hatte. Doch jetzt fühlte sie sich glücklicherweise wieder auf sicherem Boden.
«Sie kamen ans Set, wir sind uns begegnet und haben seitdem Kontakt gehalten.» Anthea zuckte mit den Schultern. «Sind vermutlich wild auf Stars. Ich bin nett zu ihnen, weil ihr Sohn gestorben ist. Verklag mich doch dafür.»
Anthea stöberte in den Ablagerungen auf ihrem Schminktisch herum und förderte eine halbe Zigarette zutage, die sie sich anzündete. «Willst du mein echtes Alibi wissen? Warum ich nicht
die andere
sein kann?» Anthea
Weitere Kostenlose Bücher